Warstein erinnert an jüdisches Leben in ihrer Stadt – Mühlengelände in Sichtigvor soll den Beinamen „Ostwald-Park“ bekommen

Jüdisches Leben in der Stadt Warstein in früherer Zeit – Auch das Sauerland ist Teil der nunmehr 1700jährigen jüdischen Geschichte in Deutschland

Warstein, 30.03.2021. Vor wenigen Wochen wurde in Köln das Jubiläumsjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ eröffnet. Für die Stadt am Rhein, einstmals Metropole des römischen Weltreiches, erstellte Kaiser Konstantin im Jahre 321 n. Chr. ein Dekret, das den ersten urkundlichen Beleg für jüdisches Leben nördlich der Alpen darstellt.

Jüdische Siedlung schon im Mittelalter

 

Es dauerte noch ein wenig, bis das jüdische Leben weiter nach Norden zog. Aber wahrscheinlich gab es im Bereich der heutigen Stadt Warstein schon im hohen und späten Mittelalter eine jüdische Siedlung. Urkundlich nachweisbar im Bereich der Stadt Warstein ist jüdisches Leben dann ab dem Jahre 1664. Darüber geben Steuerlisten Auskunft, die auch für die folgenden Jahrhunderte ein reicher Erkenntnisschatz sind. So gab es Mitte des 19. Jahrhunderts eine Reihe von Familien jüdischen Glaubens in den heutigen Ortsteilen Allagen, Belecke, Hirschberg, Mülheim/Sichtigvor und Warstein. Die damaligen sauerländischen Landsleute lebten überwiegend vom Handel oder der Metzgerei.

Selbstverständliche Mitglieder der Wohnorte

Die Menschen jüdischen Glaubens waren in den dörflichen Gesellschaften ihrer Wohnorte bestens integriert. Sie waren wie selbstverständlich Mitglieder in den örtlichen Schützenvereinen oder standen, wie etwa beim TV Warstein, als Vorsitzende lange Jahre anerkannten Vereinen vor. Die jüdische Gemeinde betrachtete es zunehmend als ihre vornehmste Aufgabe, mit den beiden christlichen Konfessionen in bestem Einvernehmen zu leben. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Januar 1933 endete nach und nach das bis dahin völlig komplikationslose Zusammenleben von Juden und Christen in der Stadt Warstein. Schändungen jüdischen Eigentums in der Reichspogromnacht 1938, Flucht und Vertreibung sowie Ermordung in den Konzentrationslagern waren die unfassbaren grauenvollen Folgen.

Gedenken an die jüdische Geschichte

Das Jubiläumsjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ ist der Stadt Warstein Anlass genug, ihrer jahrhundertelangen jüdischen Geschichte zu gedenken. Noch heute halten Bürgermeister Thomas Schöne und vor allem der Ortsheimatpfleger des Kirchspiels Mülheim, Herr Albert Grüne, zu der u. a. in New York lebenden Familie Ostwald Kontakt.
Der Bürgermeister lässt keinen Zweifel: „Wir wollen weiterhin voller Demut und Scham jedes Jahr am 9. November auf dem jüdischen Friedhof in Warstein gemeinschaftlich der Reichspogromnacht gedenken. Ich freue mich darüber hinaus sehr, dass nach der Corona-Pandemie dem Mühlengelände in Sichtigvor in einem Festakt der zusätzliche Namen „Ostwald-Park“ verliehen werden darf, hoffentlich in Anwesenheit von Mitgliedern der Familie Ostwald aus den USA. Nie darf vergessen werden, was den jüdischen Mitmenschen auch aus unserer Stadt angetan wurde.“