Schwer­me­tall-Belas­tung – HSK woll­te Image-nach­tei­li­ge Dis­kus­si­on für die Stadt Bri­lon vermeiden?

22. November 2013
von Redaktion

SBL-LogoHoch­sauer­land­kreis. Bri­lon. Am Mitt­woch dem 23. Okto­ber 2013 fand in Bri­lon eine von der Kreis­ver­wal­tung kurz­fris­tig anbe­raum­te Infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tung zu den Boden­be­las­tun­gen statt. Die Ein­la­dung der Bür­ge­rin­nen und Bür­ger erfolg­te erst am Mor­gen des­sel­ben Tages durch die Tageszeitung.

SBL-Kreis­tags­mit­glied Rein­hard Loos kri­ti­sier­te in dem Zusam­men­hang den Man­gel an Bür­ger­freund­lich­keit und Trans­pa­renz und bat den Land­rat am 25.10. schrift­lich um die Beant­wor­tung eini­ger Fra­gen. Die Ant­wort vom 12.11. liegt jetzt vor. Der Land­rat erläu­tert in sei­ner Ant­wort die Grün­de für das Vor­ge­hen der Kreis­ver­wal­tung und erklärt, er hät­te sich in der Bür­ger­ver­samm­lung öffent­lich dafür ent­schul­digt, dass die­ser Kreis nicht grö­ßer gewählt wor­den ist. Die in der Ver­samm­lung Anwe­sen­den hät­ten sei­ne Ent­schul­di­gung ange­nom­men. Anmer­kung: Die Nicht­an­we­sen­den konn­ten dazu nichts sagen und haben also dop­pelt das Nachsehen.

Hier der voll­stän­di­ge Wort­laut der Ant­wort des Landrats:

“Ihre Anfra­ge gern. § 11 Abs. 1 der Geschäfts­ord­nung des Kreistages
hier: „Boden­un­ter­su­chun­gen in Brilon”

Sehr geehr­ter Herr Loos,
vie­len Dank für Ihre Anfra­ge, die ich wie folgt beantworte:

1. Hält der Land­rat die Zeit­span­ne zwi­schen der Infor­ma­ti­on der Öffent­lich­keit über das Statt­fin­den der Infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tung und der Durch­füh­rung der Ver­an­stal­tung für angemessen?

Die betrof­fe­nen Anwoh­ner der bei­den Wohn­ge­bie­te sind mit Schrei­ben von Frei­tag, 18.10.2013, ein­ge­la­den wor­den. Die Infor­ma­ti­on an die Medi­en wur­de am Mon­tag, 21.10.2013, 10 Uhr, ver­schickt, so dass der Hör­funk an die­sem Tag noch die Mög­lich­keit hat­te, auf die Bür­ger­ver­samm­lung hin­zu­wei­sen, und die Print­me­di­en am dar­auf fol­gen­den Diens­tag. Am Mon­tag, 21.10.2013, war die Ein­la­dung eben­falls auf den Inter­net­sei­ten des Hoch­sauer­land­krei­ses und der Stadt Bri­lon veröffentlicht.
Der Zeit­raum von der Ein­la­dung bis zur Bür­ger­ver­samm­lung wur­de kurz gewählt, um eine zum Ter­min der Bür­ger­ver­samm­lung dif­fe­ren­zier­te und umfas­sen­de Erst­in­for­ma­ti­on der Betrof­fe­nen unter Berück­sich­ti­gung der gewon­ne­nen gut­ach­ter­li­chen Erkennt­nis­se sicher zu stel­len und gleich­zei­tig eine in den Medi­en mög­li­che und im heu­ti­gen Web 2.0 ent­ste­hen­de Imagen­ach­tei­li­ge Dis­kus­si­on für die Stadt Bri­lon zu ver­mei­den. Trotz die­ser kur­zen Zeit­span­ne waren rund 200 Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer im Bür­ger­zen­trum Kol­ping­haus anwe­send. Zu der Bür­ger­ver­samm­lung wur­den die Bür­ger schrift­lich ein­ge­la­den, deren Grund­stü­cke tat­säch­lich begrabt wor­den sind. Dazu zähl­ten auch Mie­ter. Bür­ge­rin­nen und Bür­ger der bei­den betrof­fe­nen Wohn­ge­bie­te, deren Grund­stü­cke nicht auf der Pro­be­lis­te stan­den, wur­den nicht ange­schrie­ben, waren aber eben­falls wie alle ande­ren Bür­ge­rin­nen und Bür­ger der Stadt Bri­lon ein­ge­la­den. Für die­ses Vor­ge­hen hat sich der Kreis ent­schie­den, weil das Infor­ma­ti­ons­in­ter­es­se der Eigen­tü­mer und Mie­ter nicht beprob­ter Grund­stü­cke inner­halb und außer­halb der unter­such­ten Gebie­te gleich sein muss­te. Ich habe mich bereits in der Bür­ger­ver­samm­lung öffent­lich ent­schul­digt, dass die­ser Kreis nicht grö­ßer gewählt wor­den ist. Die in der Ver­samm­lung Anwe­sen­den haben mei­ne Ent­schul­di­gung ange­nom­men.

(Anmer­kung: Die Dis­kus­sio­nen gibt es auch so. Bei einer frü­he­ren Ein­la­dung hät­ten aber mehr Bür­ge­rin­nen und Bür­ger die Gele­gen­heit gehabt, sich direkt zu infor­mie­ren! Und die Abwe­sen­den konn­ten sich zur Ent­schul­di­gung des Lam­drats nicht in der Ver­samm­lung äußern…)

“2. Wie gedenkt der Land­rat zukünf­tig bei ähn­li­chen Anläs­sen die früh­zei­ti­ge Infor­ma­ti­on der Öffent­lich­keit sicherzustellen?

Die Grün­de für die rela­tiv kurz­fris­ti­ge Ein­la­dung habe ich Ihnen bereits in Fra­ge 1 dar­ge­legt. Auch zukünf­tig wird die Infor­ma­ti­on der Öffent­lich­keit jeweils im Ein­zel­fall abge­stimmt.

“3. War­um wur­den vor­ab nur Ver­tre­ter eini­ger der im Kreis­tag ver­tre­te­nen poli­ti­schen Rich­tun­gen und nicht aller Rich­tun­gen infor­miert, obwohl gemäß § 26 Abs. 2 Kreis­ord­nung NRW der Kreis­tag „durch den Land­rat über alle wich­ti­gen Ange­le­gen­hei­ten der Kreis­ver­wal­tung zu unter­rich­ten” ist?

In der Ältes­ten­rats­sit­zung am 11.10.2013 wur­den die Frak­tio­nen über die Boden­un­ter­su­chun­gen und die anste­hen­de Bür­ger­ver­samm­lung infor­miert. Dar­über hin­aus haben die jeweiligen
Vor­sit­zen­den des Aus­schus­ses für Gesund­heit und Sozia­les und des Aus­schus­ses für Umwelt, Land­wirt­schaft und Fors­ten Kennt­nis erhal­ten. In den nächs­ten Sit­zun­gen der bei­den Ausschüsse
wird über die Ange­le­gen­heit berich­tet.

(Anmer­kung: Damit bestä­tigt der Land­rat indi­rekt, dass sei­ne Infor­ma­ti­ons­po­li­tik nicht in Ord­nung war. Die Kreis­tags­mit­glie­der der SBL und der Lin­ken wur­den nicht informiert.)

“4. Wel­che Boden­un­ter­su­chun­gen wur­den, auf Ver­an­las­sung der Kreis­ver­wal­tung oder mit Kennt­nis der Kreis­ver­wal­tung, seit dem Jahr 1980 auf den jetzt unter­such­ten oder benach­bar­ten Flä­chen in Bri­lon vor­ge­nom­men, und wel­che Ergeb­nis­se hat­ten die­se Untersuchungen?

Mir lie­gen erst ab dem Jah­re 1985 Erkennt­nis­se zu Schwer­me­tall­be­las­tun­gen im Stadt­ge­biet Bri­lon vor, die sich wie folgt zusam­men­fas­sen lassen:
1985/1988 Der Hoch­sauer­land­kreis hat mit Beschluss des Kreis­ta­ges vom 29.05.1985 die Unter­su­chung der land­wirt­schaft­lich genutz­ten Flä­chen auf Schwer­me­tal­le im Boden im Kreis­ge­biet beauf­tragt Die Unter­su­chun­gen und Ergeb­nis­se sind in einer Bro­schü­re mit dem Titel „Schwer­me­tal­le in Böden land­wirt­schaft­lich genutz­ter Flä­chen” 1988 ver­öf­fent­licht worden.
1991 durch­ge­führ­te Ergän­zungs­un­ter­su­chun­gen auf Flä­chen, deren Ein­zel­pro­ben aus den Unter­su­chun­gen zum o.g. Schwer­me­tall­ka­tas­ter hohe Anrei­che­run­gen von Schwer­me­tal­len auf­wie­sen, und 1993 ent­nom­me­ne Auf­wuchs­pro­ben (Fut­ter­mit­tel) beleg­ten einen stand­ort- und boden­ab­hän­gig gerin­gen Trans­fer von Schwer­me­tal­len aus dem Boden in die Pflan­ze. Ein­schrän­kun­gen für die Ver­füt­te­rung erga­ben sich somit nicht.
1989 Unter­su­chun­gen von Gar­ten­bö­den in der Page­stra­ße in Bri­lon; aus­ge­hend von den Ergeb­nis­sen des o.g. Schwer­me­tall­ka­tas­ters und dem hier durch­zu­füh­ren­den Bau­leit­plan­ver­fah­ren wur­den 10 Boden­pro­ben aus 7 Haus­gär­ten ent­nom­men und auf Schwer­me­tal­le unter­sucht. Leit­pa­ra­me­ter war sei­ner­zeit das Cad­mi­um, par­al­lel wur­den diver­se Gemü­se­pflan­zen unter­sucht. Die z. T. hohen Schwer­me­tall­be­las­tun­gen (Maxi­mal­wer­te: Cad­mi­um 26,4 mg/​kg, Blei 2359,0 mg/​kg — Mini­mal­wer­te: Cad­mi­um 4,1 mg/​kg, Blei 564,0 mg/​kg) führ­ten dazu, dass vom Ver­zehr des ange­bau­ten und ern­te­rei­fen Gemü­ses abge­ra­ten wur­de, gegen die Nut­zung von Baum‑, Zier- und Rasen­flä­chen bestan­den kei­ne Beden­ken. Die Ergeb­nis­se wur­den den Betrof­fe­nen am 25.09.91 in einem Gespräch mitgeteilt.
2004/2005 Im Zuge des Ver­kaufs und der Umge­stal­tung des Bri­lo­ner Bahn­ho­fes wur­den hohe Schwer­me­tall­be­las­tun­gen ana­ly­siert, die wei­te­re Unter­su­chun­gen nach sich zogen. Im Ergeb­nis wur­de fest­ge­stellt, dass es sich hier um eine geo­ge­ne, natür­li­che Belas­tung han­delt. Auf­grund der Ergeb­nis­se wur­den, da der Wir­kungs­pfad Boden—Mensch bei Ver­stau­bung und ent­spre­chen­der Inha­la­ti­on nicht aus­ge­schlos­sen wer­den konn­te (Worst-Case-Betrach­tung), arbeitschutz­re­le­van­te Hand­lungs­emp­feh­lun­gen für den Bau­stel­len­be­trieb herausgegeben.
2006 Im Rah­men des Fut­ter­mit­tel­kon­troll­pla­nes wur­den Fut­ter­pflan­zen von bekann­ten land­wirt­schaft­lich genutz­ten belas­te­ten Flä­chen im Raum Bri­lon erneut unter­sucht. Eine Über­schrei­tung der fut­ter­mit­tel­recht­li­chen Grenz­wer­te für Schwer­me­tal­le wur­de dabei nicht festgestellt.
2006/2012 Diver­se Bau­maß­nah­men der Stadt vor allem im Bereich des Bahn­ho­fes (z.B. Tief­bau­ar­bei­ten) führ­ten auf­grund der gefor­der­ten Unter­su­chun­gen und der sich dar­aus erge­ben­den Ent­sor­gungs­pro­ble­me für über­schüs­si­ge Boden­mas­sen zum Anstieg der Bau­kos­ten. Dies mün­de­te in die Beauf­tra­gung des Gut­ach­ter­bü­ros Dr. Kerth & Lam­pe, Det­mold; im Dezem­ber 2012 mit der Zusam­men­stel­lung der Schwer­me­tall­be­las­tun­gen des Bodens im Stadt­ge­biet Bri­lon anhand der bis dato vor­lie­gen­den Gut­ach­ten und Erkennt­nis­se. Das Gut­ach­ten wur­de der Stadt und dem Hoch­sauer­land­kreis am 29.05.13 vorgestellt.
07/2013 Die Aus­wer­tung des o.g. Gut­ach­tens führ­te zu der Beauf­tra­gung von Boden­un­ter­su­chun­gen auf Schwer­me­tall­be­las­tun­gen im Bereich Der­ker­born und Hop­pe­cker Stra­ße. Die­se Berei­che wur­den in Abstim­mung mit dem Gut­ach­ter und der Stadt gewählt, weil im Bereich Der­ker­born ein außer­halb des Bau­ge­bie­tes lie­gen­der Pro­benah­me­punkt aus dem zuvor genann­ten Schwer­me­tall­ka­tas­ter eine hohe Schwer­me­tall­be­las­tung auf­wies und die zuvor durch­ge­führ­te Recher­che im Rah­men des in 12/2012 beauf­trag­ten Gut­ach­tens Hin­wei­se auf ehe­ma­li­gen Erz­berg­bau zeig­ten. Der Bereich Hop­pe­cker Stra­ße wur­de gewählt, da für einen in dem Bereich lie­gen­den Nutz­gar­ten Boden­pro­ben im FIS Sto­Bo (Aus­wer­tung aus dem Fach­in­for­ma­ti­ons­sys­tem der stoff­li­chen Boden­be­las­tung) doku­men­tiert sind, die eben­falls eine erhöh­te Schwer­me­tall­be­las­tung auf­wei­sen. Auch dies ist in dem zuvor beauf­trag­ten Gut­ach­ten der Stadt Bri­lon recher­chiert worden.
09/2013 Beauf­tra­gung der Erstel­lung eines umwelt­me­di­zi­nisch — toxi­ko­lo­gi­schen Gut­ach­tens durch Prof. Ewers, Hygie­ne­in­sti­tut Gelsenkirchen.
10/2013 Vor­stel­lung der Ergeb­nis­se unter Teil­nah­me der Gut­ach­ter in einer Bür­ger­ver­samm­lung; das Gut­ach­ten von Prof. Ewers ist mitt­ler­wei­le auf der Inter­net­sei­te des HSK ein­ge­stellt, das Gut­ach­ten vom Büro Dr. Kerth & Lam­pe GmbH soll nach Klä­rung der Daten­schutz­be­lan­ge eben­falls ins Inter­net gestellt wer­den.

Quel­le: Sauer­län­der Bür­ger­lis­te (SBL