Stel­lung­nah­men und Rück­mel­dun­gen zum neu­en Nellius-Gutachten

31. Januar 2014
von Redaktion

Stel­lung­nah­men und Rück­mel­dun­gen zum neu­en Nel­li­us-Gut­ach­ten vom 27.1.2014

NelliusstraßeArns­berg (Hoch­sauer­land)  Das Chris­ti­ne Koch-Mund­art­ar­chiv  hat das nun vor­lie­gen­de neue Nel­li­us-Gut­ach­ten vor sei­ner Druck­le­gung Wis­sen­schaft­lern und Akti­ven aus der Hei­mat­be­we­gung vor­ge­legt. Bis­lang sind bis zum 29.01.2014 fol­gen­de Stel­lung­nah­men und Voten bei uns eingegangen:

Ros­wi­tha Kirsch-Stra­cke, Vor­sit­zen­de des Kreis­hei­mat­bun­des Olpe:

„Stra­ßen­um­be­nen­nun­gen sind in leben­di­gen, selbst­kri­ti­schen Kom­mu­nen nor­ma­le Vor­gän­ge. In zahl­rei­chen Städ­ten und Gemein­den Deutsch­lands fin­den sie statt, wenn Tat­sa­chen offen­kun­dig wer­den, die eine Ehrung der Namens­ge­ber nach neu­er­li­cher Prü­fung nicht mehr recht­fer­ti­gen. Sol­che Umbe­nen­nun­gen zei­gen Lern­fä­hig­keit und ange­nom­me­ne Ver­ant­wor­tung für das Erin­nern an die (deut­sche) Geschichte.
Der Rat der Stadt Sun­dern hat im letz­ten Jahr ein­stim­mig beschlos­sen, die Nel­li­us­stra­ße umzu­be­nen­nen. Dass die Bür­ger­initia­ti­ve >Nel­li­us­stra­ße bleibt Nel­li­us­stra­ße< die­sen Beschluss nun rück­gän­gig machen will, ist nicht nach­zu­voll­zie­hen, wenn man sich mit den jüngs­ten Erkennt­nis­sen zur Per­son Georg Nel­li­us befasst:
Die aktu­el­len, umfas­sen­den For­schun­gen von Peter Bür­ger und Wer­ner Neu­haus, die in Zusam­men­ar­beit mit Micha­el Gos­mann vom Stadt­ar­chiv Arns­berg durch­ge­führt wur­den und jetzt für jeder­mann ein­seh­bar vor­lie­gen, erge­ben ein erschre­cken­des Bild des Sau­er­län­ders Georg Nel­li­us. Ins­be­son­de­re sei­ne als Kul­tur­funk­tio­när der NS-Zeit ver­folg­te ras­sis­ti­sche Juden­feind­schaft wird anhand von bis­lang unbe­kann­ten Ori­gi­nal­quel­len belegt.
Ich bin sicher, dass durch die neue Ver­öf­fent­li­chung auch die Bür­ger­initia­ti­ve >Nel­li­us­stra­ße bleibt Nel­li­us­stra­ße< zu dem Schluss kom­men wird, dass ein Stra­ßen­schild mit dem Namen eines Anti­se­mi­ten und frü­hen Anhän­gers von Hit­ler abso­lut nichts mit Hei­mat­lie­be zu tun hat und untrag­bar ist.“

 

Prof. Dr. Robert Jütte, Stuttgart:
„Wie ich erfahren habe, soll in Sundern die Umbenennung der Nellius-Straße durch eine Bürgerinitiative verhindert werden. Als ehemaliger Vorsitzender und jetziges Beiratsmitglied der Gesellschaft zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland, aber auch als geborener Sauerländer kann ich nicht verstehen, dass es dort noch eine Straße gibt, die nach einem als Antisemit eindeutig hervorgetretenen Musikpolitiker benannt ist. Ich appelliere an den Gemeinderat, für die Umbenennung der Nellius-Straße zu stimmen.“

 

Prof. Huber­tus Halb­fas (Mit­glied im Sau­er­län­der Heimatbund):

„Im Rah­men der aktu­el­len Stra­ßen­na­men­de­bat­te haben Peter Bür­ger und Wer­ner Neu­haus in Zusam­men­ar­beit mit Micha­el Gos­mann vom Stadt­ar­chiv Arns­berg das natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Kul­tur­schaf­fen von Georg Nel­li­us minu­ti­ös unter­sucht. Die vor­ge­leg­te For­schungs­ar­beit bestä­tigt ein erschre­cken­des Bild anti­se­mi­ti­scher Kul­tur­po­li­tik. Dies ist der geis­ti­ge Hin­ter­grund, aus dem her­aus die mas­sen­mör­de­ri­sche Juden­ver­fol­gung und Juden­ver­nich­tung des NS-Staa­tes mög­lich wur­de. Die Bür­ger­initia­ti­ve >Nel­li­us­stra­ße bleibt Nel­li­us­stra­ße< soll­te gera­de ange­sichts der neu­en For­schungs­er­kennt­nis­se den Hin­weis von Hein­rich Lüb­ke beden­ken, >dass Mensch­lich­keit aus der Ver­ant­wor­tung für die Ver­gan­gen­heit erwächst. Des­halb erweist uns kei­ner von denen einen Dienst, die unse­rem Volk zure­den, es müs­se nun end­lich ein­mal Schluss gemacht wer­den mit die­ser Schat­ten­be­schwö­rung aus den Tagen einer furcht­ba­ren Ver­gan­gen­heit. Nicht wir beschwö­ren die Schat­ten, die Schat­ten beschwö­ren uns, und es liegt nicht in unse­rer Macht, uns ihrem Bann zu entziehen<.“

 

Prof. Dr. Dr. Reinhard Hesse, Warstein:
„Ich kann mir nicht gut vorstellen, dass die nunmehr zu Nellius vorliegenden Dokumente die Initiatoren der Bürgerinitiative nicht dazu veranlassen werden, von ihrem Anliegen Abstand zu nehmen und der Stadt Sundern somit die Ausrichtung eines teuren Bürgerbegehrens zu ersparen.“

 

Frau Prof. Dr. Anat Fein­berg (Hono­rar­pro­fes­so­rin an der Hoch­schu­le für Jüdi­sche Stu­di­en Heidelberg):

„Mit Betrof­fen­heit habe ich erfah­ren, dass in Sun­dern die Umbe­nen­nung der Nel­li­us-Stra­ße durch eine Bür­ger­initia­ti­ve ver­hin­dert wer­den soll. Als jemand, der ein Buch über die Rück­kehr jüdi­scher Musi­ker in das Nach­kriegs­deutsch­land geschrie­ben hat und zur Zeit an einem Buch über die Remi­gra­ti­on jüdi­scher Kunst­schaf­fen­der nach 1945 schreibt, bin ich ent­setzt, dass es im Sau­er­land, das ich aus zahl­rei­chen Besu­chen ken­ne, noch eine Stra­ße gibt, die nach einem beken­nen­den anti­se­mi­ti­schen Musik­po­li­ti­ker benannt ist. Als jemand, der als kul­tu­rel­le Ver­mitt­le­rin zwi­schen Isra­el und Deutsch­land für sein lang­jäh­ri­ges Enga­ge­ment zuguns­ten der israe­li­schen Kul­tur und der deutsch-israe­li­schen Bezie­hun­gen vom Bun­des­prä­si­den­ten das Ver­dienst­kreuz am Ban­de des Ver­dienst­or­dens der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land ver­lie­hen, appel­lie­re ich an die zustän­di­gen poli­ti­schen Gre­mi­en, die­sen Schand­fleck rasch zu besei­ti­gen und umge­hend den Weg für eine Umbe­nen­nung der Nel­li­us-Stra­ße frei zu machen.“

 

Der His­to­ri­ker Dr. Ulrich F. Opfer­mann (Akti­ves Muse­um Süd­west­fa­len Sie­gen, Rom e.V. Köln) schreibt dem Autorenteam:

„Ihnen […] ist mit Ihrem akri­bi­schen Nel­li­us-Gut­ach­ten ein wert­vol­ler Bei­trag zur aktu­el­len Benen­nungs­dis­kus­si­on gelun­gen, mit Bedeu­tung über den in Rede ste­hen­den Ort hin­aus. Man kann nur hof­fen, dass ein sach­li­ches Wort wie die­ses noch durch­dringt. Ich sage Ihnen das als ein, wie Sie wis­sen, lang­jäh­ri­ger land­schaft­li­cher Nach­bar aus dem Sie­ger­land, der man­chen Bei­trag schrieb. Auch nach mei­nem Umzug bewegt mich wei­ter­hin die Regio­nal­ge­schich­te. Das schließt den Blick übers Köl­sche Heck selbst­ver­ständ­lich mit ein. Also, noch ein­mal: ein herz­li­ches Dan­ke­schön für die gute, bei­spiel­ge­ben­de Arbeit.“

 

Prof. Dr. Vol­ker Hone­mann (Müns­ter und Ber­lin) teilt den Autoren mit:

„Ihnen […] sei sehr herz­lich für Ihre mühe­vol­le For­schungs­ar­beit in Sachen Georg Nel­li­us gedankt. Daß deren Ergeb­nis­se Nel­li­us nun in noch schlim­me­rem Lich­te erschei­nen las­sen, als man vor­her wuß­te, zeigt, wie nötig es ist, unse­re Drit­te Reichs-Ver­gan­gen­heit auch >vor Ort< wei­ter­hin so nüch­tern und gründ­lich auf­zu­ar­bei­ten, wie Sie es getan haben, und wie ich es vor kur­zem für die Ger­ma­nis­tik der West­fä­li­schen Wil­helms Uni­ver­si­tät Müns­ter ver­sucht habe. Tun wir dies nicht, dann wird uns die­se Ver­gan­gen­heit immer von neu­em heim­su­chen. Es ist sehr zu hof­fen, daß die Sun­derner Bür­ger­initia­ti­ve sich durch Ihre umfas­sen­de, strikt wis­sen­schaft­li­che Doku­men­ta­ti­on über­zeu­gen läßt, daß Georg Nel­li­us kei­ne Ehrung durch einen Stra­ßen­na­men gebührt.“

Prof. Dr. Josef Wie­se­hö­fer (Uni­ver­si­tät Kiel) lässt uns in knap­per Form wissen