Gerichts­ver­hand­lung um die Errich­tung der Puten­mast­an­la­ge in Mesche­de-Sche­der­ber­ge ende­te mit einer klei­nen Überraschung

8. März 2017
von Redaktion

Hoch­sauer­land­kreis. Arns­berg. Meschede.

Ter­min beim Ver­wal­tungs­ge­richt mit Span­nung erwartet
Lan­ge hat­te die Dorf­ge­mein­schaft Sche­der­ber­ge auf die Ver­hand­lung beim Ver­wal­tungs­ge­richt Arns­berg über die Kla­ge gegen die Geneh­mi­gung der Puten­mast­an­la­ge gewar­tet. Am 07. März 2017 war es end­lich soweit.

Star­kes Auf­ge­bot aus Schederberge
Die Klä­ge­rin ist die­je­ni­ge Haus­ei­gen­tü­me­rin, der die Mas­sen-Mast­an­la­ge mit etwa 6,40 Metern Abstand zwi­schen ihrem Haus und einer Stal­lung am engs­ten auf die Pel­le rückt. Sie kam in Beglei­tung vie­ler Dorf­be­woh­ner. Der Gerichts­saal beim Ver­wal­tungs­ge­richt Arns­berg wur­de erstaun­lich voll.

Die ande­ren Beteiligten
Die Beklag­te, es han­del­te sich um die Stadt Mesche­de, wur­de durch den Lei­ter des Bau­ord­nungs­amts und eine Rechts­an­wäl­tin ver­tre­ten. Die wei­te­ren Akteu­re möch­ten wir auch erwäh­nen. Es waren zwei soge­nann­te Bei­gela­de­ne, der eine ein Ver­tre­ter der Land­wirt­schafts­kam­mer, der ande­re der Puten­mast­be­trei­ber hims­elf sowie ihr gemein­sa­mer (!) Anwalt. Klar, auch der Klä­ge­rin stand ein Rechts­bei­stand zur Seite.

Der Ver­hand­lungs­auf­takt
Nach­dem alle Platz gefun­den hat­ten, ging die Ver­hand­lung mit weni­gen Minu­ten Ver­spä­tung los, zunächst mit einem klei­nen Geplän­kel wegen eines angeb­lich ver­spä­tet bei der Land­wirt­schafts­kam­mer ein­ge­trof­fe­nen Schrift­sat­zes. Es folg­te das Vor­le­sen der Kla­ge­schrift inklu­si­ve eines umfang­rei­chen, von den Sche­der­ber­gern in Auf­trag gege­be­nen Gut­ach­tens. Der Gut­ach­ter stellt dar­in aus­führ­lich dar, dass die Puten­mast­an­la­ge die erfor­der­li­chen Vor­aus­set­zun­gen nicht erfüllt. Als Bei­spie­le nen­nen wir hier Män­gel bei der Abluft und unzu­rei­chen­de Berück­sich­ti­gung betrieb­li­cher Trans­por­te. Auch den Brand­schutz bezeich­ne­te der Gut­ach­ter als unzu­läng­lich. Die schrift­li­che Erwi­de­rung der Stadt Mesche­de wur­de anschlie­ßend vorgetragen.

Land­wirt­schafts­kam­mer und Land­wirt einig
Der Mit­ar­bei­ter der Land­wirt­schafts­kam­mer und der Puten­mast­be­trei­ber waren sich offen­bar einig. Das von der Klä­ge­rin in Auf­trag gege­be­ne Gut­ach­ten wird von bei­den in Fra­ge gestellt. Alle Vor­ga­ben, z.B. für Geruchs­gut­ach­ten, sei­en hin­läng­lich berück­sich­tigt worden.

Kla­ge zuläs­sig / Rechts­la­ge für Klä­ge­rin ungünstig
Der Vor­sit­zen­de Rich­ter ging nun auf die Orts­be­sich­ti­gung vom 16.02.2016 ein und äußer­te, an der Zuläs­sig­keit der Kla­ge bestün­de kein Zwei­fel. Hin­sicht­lich der Recht­mä­ßig­keit der durch die Stadt Mesche­de erteil­ten Bau­ge­neh­mi­gung gebe es kei­ne Beden­ken. Der Rich­ter sprach die pla­nungs­recht­li­che Situa­ti­on an. Es han­de­le sich hier um eine Pla­nung im Außen­be­reich; das Dorf Sche­der­ber­ge zäh­le nur als “Split­ter­sied­lung”. Somit bestün­de kei­ne Schutz­wür­dig­keit. Die Kam­mer ließ es nicht bei die­sen weni­gen Sät­zen bewen­den, son­dern erläu­ter­te die für die Klä­ge­rin ungüns­ti­ge Rechts­la­ge. Dem­nach geht der Gesetz­ge­ber z.B. auch nicht von einer Beein­träch­ti­gung beim Wert des Hau­ses der Klä­ge­rin aus. Ein­wän­de gegen Luft- und Geruchs­im­mis­sio­nen, Befül­lung der Gül­le­be­häl­ter, Brand­schutz, Ver­kehrs­be­las­tung, Ammo­ni­ak, Stick­stof­fe etc. wür­den nicht grei­fen. Alles in allem gel­te die Mas­sen­tier­hal­tung vor der eige­nen Haus­tür für die Men­schen in Sche­der­ber­ge als zumut­bar. Geschul­det sei das u.a. auch den feh­len­den Vor­schrif­ten. So gebe es bei­spiels­wei­se kei­ne Vor­ga­be, die zwin­gend einen Abstand von über 10 Metern vorschreibe.

Woh­nen neben einer Mast­an­la­ge ist kein Vergnügen
Der Anwalt der Klä­ge­rin erläu­ter­te dar­auf­hin, wie sich die „Tuch­füh­lung“ zum Puten­mast­be­trieb ganz prak­tisch dar­stellt. Er gab zu beden­ken, dass das gan­ze Grund­stück der Klä­ge­rin belas­tet ist. Beson­ders sicht­bar wür­de das durch die Puten­fe­dern, die auch oft das Auto der Klä­ge­rin bede­cken und ver­schmut­zen. Auf das Brand­schutz­kon­zept ging die Klä­ger­sei­te auch ein. Das Kon­zept gin­ge im Fal­le eines Bran­des von der Frei­las­sung der Tie­re aus. In so einer Situa­ti­on wäre unter den gege­be­nen Umstän­den die Brand­lö­schung gar nicht mög­lich. Die Stra­ße sei zu schmal für einen Begeg­nungs­ver­kehr und somit auch für die Löschfahrzeuge.

Kei­ne geson­der­te Berück­sich­ti­gung von Einzelfällen
Die Anwäl­tin der Stadt Mesche­de beein­druck­te die­ses State­ment nicht. Sie schloss sich den Aus­füh­run­gen des Gerichts an und äußer­te, Extrem­fäl­le sei­en berück­sich­tigt und Ein­zel­fäl­le müss­ten nicht geson­dert berück­sich­tigt wer­den. Dass die Ret­tung nicht mög­lich sei, wäre eine Behaup­tung an der man zwei­feln kön­ne. Der Brand­fall sei ein Aus­nah­me­ri­si­ko, das ein Nach­bar habe.

Nur Spe­ku­la­ti­on?
Der gemein­sa­me Rechts­bei­stand von Puten­mast­be­trei­ber und Land­wirt­schafts­kam­mer äußer­te, er habe kei­ne wei­te­ren Anmer­kun­gen. Nach­bar­schaft­li­che Rech­te wür­den nicht ver­letzt. Es gebe ein Brand­schutz­kon­zept. Der Anwalt der Klä­ge­rin bewe­ge sich im Rah­men von Spe­ku­la­tio­nen. Es gebe kei­ne Ansatz­punk­te, die die Bau­ge­neh­mi­gung in Fra­ge stellen.

Lebens­qua­li­tät ade?
Die Klä­ge­rin schil­der­te dar­auf­hin noch ein­mal selbst die unan­ge­neh­men Aus­wir­kun­gen, mit denen sie alle vor Ort kon­fron­tiert sind. So hät­te es im ver­gan­ge­nen Janu­ar und Febru­ar bei der vor­herr­schen­den Nord­wind­la­ge bis auf ganz weni­ge Tage unab­läs­sig „gestun­ken“.

Dyna­mik und Rechtsprechung
Der Vor­sit­zen­de Rich­ter ging auf die per­sön­li­chen Aus­füh­run­gen der Klä­ge­rin ein und erklär­te, die Klä­ge­rin habe recht­lich eine schlech­te Situa­ti­on. Hin­sicht­lich der frü­he­ren, eher klein­land­wirt­schaft­li­chen Nut­zung des Hofes kon­sta­tier­te er: „Land­wirt­schaft ist dyna­misch“. Die Recht­spre­chung sei so.

Vor­schlag zur Güte
Zudem erkun­dig­te er sich bei dem Puten­mäs­ter, ob er bei der Aus­stal­lung etwas ver­bes­sern kön­ne und ob es die Mög­lich­keit gebe, die Abluft­ka­mi­ne zu erhö­hen. Außer­dem gab der Rich­ter zu beden­ken, dass eine Beru­fung mög­lich sei. Bis zur Ver­hand­lung könn­ten 2 Jah­re ins Land gehen. Er wol­le aber das Ver­fah­ren am sel­ben Tag in einer wirt­schaft­lich ver­tret­ba­ren Form zu Ende brin­gen. Aus sei­ner Sicht wäre das mög­lich, wenn sich der­Hof­be­sit­zer mit der Erhö­hung der Kami­ne um jeweils 1 Meter ein­ver­stan­den erklä­re und im Gegen­zug die Klä­ge­rin die Kla­ge zurückziehe.

Pau­se
Der Anwalt der Klä­ge­rin begrüß­te die­sen Vor­schlag. Aus sei­ner Sicht hät­ten höhe­re Kami­ne einen guten Effekt. Der Vor­sit­zen­de Rich­ter schlug eine Bera­tungs­pau­se vor. Alle Betei­lig­ten waren damit ein­ver­stan­den und die Ver­tre­ter von Stadt, Land­wirt­schafts­kam­mer und der Puten­mäs­ter ver­lie­ßen gemein­sam den Sit­zungs­saal. Die Sche­der­ber­ger blie­ben der­weil im Saal.

Fra­gen bleiben
Zwi­schen­zeit­lich war auch – anläss­lich der nach­fol­gen­den Ver­hand­lung – der Gut­ach­ter, der im Auf­trag der Dorf­ge­mein­schaft Sche­der­ber­ge die besag­te Stu­die erstellt hat­te, ein­ge­trof­fen. Auch er riet dazu, den Ver­gleich anzu­neh­men. Die Klä­ge­rin stell­te sich aller­dings laut die Fra­ge, ob nach Ver­fah­rens­ab­schluss womög­lich wei­te­re Puten­mast­stäl­le in Sche­der­ber­ge geneh­migt werden.

Die Dorf­ge­mein­schaft geht mit, die ande­ren nicht
Trotz­dem, die Dorf­ge­mein­schaft erklär­te, sie gehe den Schritt mit und neh­me den Ver­gleich an. Nicht so der Anwalt von Land­wirt­schafts­kam­mer und Puten­mäs­ter. Er äußer­te, der Vor­schlag wür­de nicht zum Rechts­frie­den bei­tra­gen und wie­der einen Kla­ge­ge­gen­stand schaf­fen. Sein Man­dant hät­te im Ver­fah­ren ent­spre­chen­de Vor­schlä­ge gemacht. Das wie­der­um ließ die Sche­der­ber­ger auf­hor­chen. Offen­bar war ihnen von den gera­de erwähn­ten Vor­schlä­gen des Puten­mäs­ters bis dato nichts bekannt?

Ent­we­der … oder
Der Rich­ter ver­such­te zu ver­mit­teln und erklär­te, dass er für die Erhö­hung der Kami­ne kei­ne recht­li­chen Hin­der­nis­se sieht. Der so ange­spro­che­ne Anwalt reagier­te mit dem Ein­wand, es wis­se doch hier nie­mand, was die Erhö­hung der Kami­ne brin­ge. Dar­auf­hin argu­men­tier­te der Vor­sit­zen­de mit einer „Ver­bes­se­rung der Atmo­sphä­re“. Ent­we­der das Ver­fah­ren wer­de heu­te been­det oder es gehe wei­ter und gab zu Beden­ken, dass man sich in den 2 Jah­ren bis zur nächs­ten Ver­hand­lung mit Unwäg­bar­kei­ten rum­schla­gen müs­se. Wenn der Hof­be­sit­zer den Vor­schlag jetzt anneh­men wür­de, wäre die Bau­ge­neh­mi­gung rechts­kräf­tig. Ansons­ten bestün­de ein gewis­ses Risi­ko. Die Stadt Mesche­de sol­le heu­te erklä­ren, dass sie die Bau­ge­neh­mi­gung für die Erhö­hung der Kami­ne erteilt.

Pause(n)
Dann kam noch ein­mal zur Rede, dass der Puten­mäs­ter kei­nen neu­en Kla­ge­ge­gen­stand schaf­fen will. Es wur­den auch noch Bedenk­pau­sen spe­zi­ell für Land­wirt­schafts­kam­mer und Puten­mäs­ter eingelegt.

Lan­ger Atem
Der Rich­ter blieb hart­nä­ckig und for­der­te die „unwil­li­ge Par­tei“ erneut auf, der Bei­gela­de­ne sol­le erklä­ren, dass er alle Kami­ne um 1 Meter erhöht. Um Gegen­zug näh­me die Klä­ge­rin die Kla­ge zurück.

Kur­zer Behördengang
Der Ver­tre­ter der Stadt gab auf Nach­fra­ge an, für die Prü­fung der Bau­ge­neh­mi­gung benö­ti­ge sei­ne Behör­de 2 Wochen.

Ein Hoch auf den Pragmatismus
Kam­mer und Vor­schlags­geg­ner tra­ten noch eini­ge Zeit auf der Stel­le. Und es gab wie­der eine Bera­tungs­pau­se. Die für die Ver­hand­lung ange­setz­te Zeit war schon deut­lich über­schrit­ten. Letzt­lich obsieg­te dann doch der Prag­ma­tis­mus. Der Ver­gleich wur­de – auch im Ein­ver­neh­men mit der Stadt – ange­nom­men. Hurra!

Ergeb­nis
Noch ein­mal zum Mit­schrei­ben: Die Klä­ge­rin nimmt die Kla­ge zurück. Die Stadt erteilt inner­halb von 2 Wochen die Bau­ge­neh­mi­gung. Der Bei­gela­de­ne erhöht alle Abluft­ka­mi­ne sei­ner Puten­mast­stal­lun­gen um jeweils 1 Meter.

Hoff­nung
Der Vor­sit­zen­de Rich­ter äußer­te die Hoff­nung, man möge sich in die­ser Ange­le­gen­heit hier nicht wiedersehen.

Nach­trag I
Bleibt noch nach­zu­tra­gen: Die Klä­ge­rin trägt die Kos­ten des Verfahrens.
Nach­trag II
Bleibt noch anzu­mer­ken: Die Puten spiel­ten bei die­ser Ver­hand­lung so gut wie gar kei­ne Rol­le. Sie waren ja auch nicht Gegen­stand der Kla­ge. So bleibt nur die Hoff­nung auf die Ein­sicht der Ver­brau­cher. Tie­re sind klu­ge und gefühl­vol­le Geschöp­fe. Sie leben und lei­den wie wir! Wenn wir sie züch­ten, hal­ten und töten, nur um sie zu essen, soll­ten wir ihnen wenigs­ten ein eini­ger­ma­ßen erträg­li­ches Leben gön­nen! Ob das Wohl der Tie­re in der drang­vol­len Enge einer Mas­sen­mast­an­la­ge wie in Sche­der­ber­ge gege­ben ist, zwei­feln wir an!

PM der Sau­er­län­der Bür­ger­lis­te (SBL/FW)