75 Jah­re Möh­ne­ka­ta­stro­phe: Mit Bom­ben gegen Tal­sper­ren Angriff der Roy­al Air Force

8. Mai 2018
von Redaktion

75 Jah­re Möh­ne­ka­ta­stro­phe: Mit Bom­ben gegen Tal­sper­ren Angriff der Roy­al Air Force in der Nacht vom 16. auf den 17. Mai 1943 soll­te Rüs­tungs­in­dus­trie im Ruhr­ge­biet schwächen

Die­se Dia­show benö­tigt JavaScript.

Eines der dun­kels­ten Kapi­tel in der mehr als 100-jäh­ri­gen Geschich­te des Ruhr­ver­bands jährt sich im Mai zum 75. Mal. In der Nacht vom 16. auf den 17. Mai 1943 grif­fen bri­ti­sche Bom­ber sechs Tal­sper­ren im Sau­er­land und in Nord­hes­sen mit eigens für die­sen Zweck kon­stru­ier­ten Rota­ti­ons­bom­ben an, die nach dem Prin­zip eines hüp­fen­den Kie­sel­steins in Rich­tung der Stau­mau­er bzw. des Stau­damms sprin­gen, dort ver­sin­ken und in der Tie­fe explo­die­ren soll­ten. Für den Angriff auf die Möhne‑, Lister‑, Sor­pe- und Enne­pe­tal­sper­re des Ruhr­ver­bands sowie die Die­mel- und Eder­tal­sper­re an der Gren­ze zu Nord­hes­sen hat­ten die Pilo­ten der Roy­al Air Force mona­te­lang trainiert.

Die ver­hee­rends­ten Fol­gen des Angriffs gab es an der Möh­n­etal­sper­re: Hier erreich­te eine der abge­wor­fe­nen Bom­ben ihr Ziel und ver­ur­sach­te einen Riss in der Mau­er, der sich durch den Druck der aus­strö­men­den Was­ser­mas­sen rasch zu einer fast 80 Meter brei­ten Lücke erwei­ter­te. Mit einer Höhe von bis zu sie­ben Metern ras­te die Flut­wel­le durch das enge Möh­n­etal und riss alles mit sich, was ihr im Weg stand. In weni­ger als neun Stun­den ström­ten über 100 Mil­lio­nen Kubik­me­ter Was­ser aus der Tal­sper­re und ergos­sen sich bis weit ins Ruhr­tal hin­ein. Häu­ser wur­den fort­ge­spült, Brü­cken und Stra­ßen zer­stört. Das Kraft­werk am Hengs­tey­see, mehr als 60 Kilo­me­ter fluss­ab­wärts gele­gen, wur­de eben­so über­flu­tet wie die Was­ser­wer­ke an der mitt­le­ren Ruhr. Auf den umlie­gen­den Äckern hin­ter­ließ das Was­ser unvor­stell­ba­re Men­gen von Schlamm und Geröll.

Rund 1.600 Men­schen kamen bei der Möh­ne­ka­ta­stro­phe ums Leben, die meis­ten davon aus­län­di­sche Kriegs­ge­fan­ge­ne sowie Zwangs­ar­bei­te­rin­nen und Zwangs­ar­bei­ter, die in einem Lager fünf Kilo­me­ter unter­halb der Sperr­mau­er unter­ge­bracht waren. Ein Mahn­mal am Stand­ort des durch die Flut­wel­le eben­falls völ­lig zer­stör­ten Klos­ters Him­mel­pfor­ten erin­nert heu­te an die Toten in die­sem Lager. Auch im Orts­kern von Neheim, das heu­te zu Arns­berg gehört und von der Hoch­was­ser­wel­le schwer getrof­fen wur­de, gibt es ein Mahn­mal für die Opfer der Katastrophe.
Die Men­schen in der Regi­on spür­ten die Fol­gen der Zer­stö­rung noch mona­te­lang: Die Ver­sor­gung mit Trink­was­ser war durch die Beschä­di­gung der Stau­an­la­gen und Was­ser­wer­ke stark ein­ge­schränkt. Da vie­le Klär­an­la­gen eben­falls zer­stört oder beschä­digt waren, gelang­ten hoch belas­te­te Indus­trie­ab­wäs­ser unge­rei­nigt in die Flüs­se. In den Rüs­tungs­stand­or­ten Dort­mund, Bochum und Hagen lag die Pro­duk­ti­on durch den Aus­fall von Was­ser- und Elek­tri­zi­täts­wer­ken meh­re­re Tage lang still.

Nach­dem sich Albert Speer, Reichs­mi­nis­ter für Bewaff­nung und Muni­ti­on, bereits weni­ge Stun­den nach dem Angriff per­sön­lich einen Über­blick über das Aus­maß der Zer­stö­rung ver­schafft hat­te, begann die „Orga­ni­sa­ti­on Todt“, der Bau­trupp des NS-Regimes, rasch mit dem Wie­der­auf­bau und setz­te dabei nahe­zu 4.000 über­wie­gend aus­län­di­sche Zwangs­ar­bei­te­rin­nen und Zwangs­ar­bei­ter ein. Bereits im Sep­tem­ber 1943 konn­te die Möh­n­etal­sper­re wie­der ein­ge­staut wer­den. Mit dem Wie­der­auf­bau der eben­falls beschä­dig­ten Grund­ab­läs­se begann der Ruhr­ver­band aller­dings erst 1950. Anschlie­ßend wur­de als Ersatz für das bei dem Angriff zer­stör­te Haupt­kraft­werk ein neu­es Werk am Aus­lauf des frü­he­ren Umlei­tungs­stol­lens für Möh­ne und Heve errich­tet. Das alte Neben­kraft­werk wur­de abge­tra­gen und – zusam­men mit einem deut­lich ver­grö­ßer­ten Aus­gleichs­wei­her – eben­falls durch ein neu­es Kraft­werk 400 Meter west­lich der alten Posi­ti­on ersetzt.

Auch die nord­hes­si­sche Eder­tal­sper­re wur­de bei dem Angriff zer­stört; hier fan­den Dut­zen­de Men­schen den Tod. Die Absperr­bau­wer­ke der übri­gen ange­grif­fe­nen Tal­sper­ren wur­den zwar teil­wei­se stark beschä­digt, bra­chen aber nicht. Zur Abwehr erneu­ter Bom­bar­de­ments erhiel­ten die Tal­sper­ren im Sau­er­land in der Fol­ge Flak­stel­lun­gen; aller­dings wur­den bis Kriegs­en­de kei­ne wei­te­ren geziel­ten Angrif­fe auf Tal­sper­ren mehr unternommen.

Bild­un­ter­schrif­ten ( „Foto: Archiv Ruhrverband“ ):

Foto1 und 2: Durch die 80 Meter brei­te Lücke in der Stau­mau­er ström­ten bin­nen weni­ger Stun­den über 100 Mil­lio­nen Kubik­me­ter Was­ser aus.

Foto 3: Zer­stör­tes Haus in Fröndenberg.

Foto4: In Neheim rich­te­te die Flut­wel­le schwers­te Ver­wüs­tun­gen an.