Sta­si-Opfers Wolf-Diet­rich Krau­se und die har­ten Fakten

19. November 2013
von Redaktion

Sta­si-Opfers Wolf-Diet­rich Krau­se und die har­ten Fakten

Ein Vor­trag in Soest und ein Inter­view zu Bier­mann und Meinungsfreiheit.

DDR1Mit cir­ca 30 Zuhö­rern war der Vor­trags­saal im Soes­ter Petrus­haus gut gefüllt, als auf den Tag 37 Jah­re nach dem „Köl­ner-Kon­zert“ von Wolf Bier­mann, Wolf Diet­rich Krau­se als Refe­rent des Geschichts­ver­eins über die „Jugend­li­che Oppo­si­ti­on gegen das SED-Regime“ sprach. Wegen „staats­feind­li­cher Het­ze“ wur­de er 1977 zu zwei Jah­ren Haft in der DDR ver­ur­teilt, aber 1978 von der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land frei­ge­kauft. Wolf-Diet­rich Krau­se spricht meis­tens in Schu­len, wo die Jugend­li­chen nicht sel­ten zum ers­ten Mal mit dem All­tags­le­ben in der DDR kon­fron­tiert wer­den und es oft nicht fas­sen kön­nen, wie die­ser Staat auf deut­schem Boden noch vor weni­gen Jah­ren orga­ni­siert war. Für das durch­weg älte­re Publi­kum in Soest hin­ge­gen waren die Umstän­de in der Regel bekannt und den­noch erschüt­ter­te es ein­mal wie­der mit eini­gen Film­aus­schnit­ten auf uner­träg­li­che Zustän­de hin­ge­wie­sen zu wer­den, wie z.B. den Wehr­kun­de­un­ter­richt oder Fah­nen­ap­pel­le, Feu­er­sprü­che und Hand­zei­chen beim Kin­der­drill. Beson­ders ein­druck­voll waren die per­sön­li­chen Schil­de­run­gen Krau­ses aus sei­ner Haft­zeit, die mit Demü­ti­gun­gen und Will­kür ein­her­gin­gen und u.a. von Ver­rat und Gewalt gekenn­zeich­net waren. Der 1954 gebo­re­ne Wolf-Diet­rich Krau­se, erleb­te schon 1961 nach dem Mau­er­bau die Ver­haf­tung sei­nes Vaters, weil die­ser sich kri­tisch über das Regime äußer­te. Infol­ge­des­sen wur­de er als Kind aus­ge­grenzt und die gan­ze Fami­lie unter Druck gesetzt. 1975 stell­te er den er den ers­ten Aus­rei­se­an­trag. Als Wolf Bier­mann am 16. Novem­ber 1976 aus­ge­bür­gert wur­de, war dies für alle Anders­den­ken­den in der DDR eine Initi­al­zün­dung. Krau­se pro­tes­tier­te mit einem Brief an die Staats­füh­rung und leg­te die Arbeit nie­der. Die Fol­ge waren Ver­haf­tun­gen, Ver­hö­re und letzt­lich ein Berufs­ver­bot. Aber nichts konn­te ihn dar­an hin­dern, das „Köl­ner Kon­zert“, das er auf Ton­band aus­ge­zeich­net hat­te, wei­ter zu ver­brei­ten und pri­va­te Aben­de zu orga­ni­sie­ren, in denen man sich alles gemein­schaft­lich anhör­te und dar­über dis­ku­tier­te. Im Wes­ten ange­kom­men mach­te sich Wolf-Diet­rich Krau­se wei­ter für ver­folg­te Men­schen in der DDR stark und wur­de Mit­glied der CDU. Beim Hon­ecker­be­such in Trier kon­fron­tier­te er den DDR-Staats­chef direkt mit Pla­ka­ten zur Aus­rei­se sei­ner Ange­hö­ri­gen. Nach der Wen­de enga­gier­te sich Krau­se für die „Stif­tung Auf­ar­bei­tung“, um beson­ders bei Jugend­li­chen weit­ge­hend tot­ge­schwie­ge­ne poli­ti­sche Zustän­de ins Bewusst­sein zu rücken. Ich nutz­te die Gele­gen­heit, um mit Wolf-Diet­rich Krau­se ein kur­zes Gespräch zu füh­ren über Bier­mann und die Fol­gen. Fra­ge: Wann haben Sie Wolf Bier­mann zum ers­ten gehört oder etwas von ihm gele­sen? WD Krau­se: Von Wolf Bier­mann hat­te ich so erst­mals Ende 1975 von Freun­den gehört, die eben­falls mit den Ver­hält­nis­sen in der DDR unzu­frie­den waren. Gese­hen und gehört habe ich Wolf Bier­mann dann am 16.11.1976 im Fern­se­hen bei dem Kon­zert in der Köl­ner Sport­hal­le. Da ich von der Aus­bür­ge­rung schon wuss­te, nahm ich die­ses Kon­zert auf einem Ton­band auf, um es selbst und im Freun­des­kreis noch­mal anhö­ren zu kön­nen. Am 17.11.1976 habe ich einen Pro­test­brief gegen die Aus­bür­ge­rung Wolf Bier­mann an Hon­ecker geschrie­ben und die­sen Brief auch an den SFB in West­ber­lin geschickt. Gleich­zei­tig hat­te ich mei­nem Arbeit­ge­ber (Mitro­pa) schrift­lich mit­ge­teilt, dass ich am 19.11.1976 wegen der Aus­bür­ge­rung Bier­manns für einen Tag die Arbeit nie­der­le­ge. Fra­ge: Wel­ches ist die größ­te Leh­re aus dem Fall Bier­mann? WD Krau­se: Dass Bier­mann auf dem besag­ten Kon­zert in Köln, offen die Wahr­heit über die DDR gesagt und damit die SED-Füh­rung kri­ti­siert hat. Bier­mann, der selbst an das Pro­jekt einer sozia­lis­ti­schen Gesell­schafts­ord­nung geglaubt hat, war aber selbst durch die Gefahr einer Aus­bür­ge­rung nicht bereit, auf sach­li­che Kri­tik zu ver­zich­ten und sich ver­bie­gen zu las­sen. Die­ses Ver­hal­ten hat sehr vie­len Men­schen in der ehe­ma­li­gen DDR Kraft und Zuver­sicht gege­ben. Eine Leh­re war, dass die SED-Macht­ha­ber Bier­mann und vor allem die Wir­kun­gen auf die Men­schen unter­schätzt haben. Herz­li­chen Dank für die Beant­wor­tung der Fragen!

Tan­ja Krienen