Wel­che Fol­gen kann der Koali­ti­ons­ver­trag für die Kom­mu­nal­po­li­tik haben? (II)

10. Februar 2018
von Redaktion

Hoch­sauer­land­kreis.

Sehr ungüns­tig sind mit der neu­en Gro­Ko die Per­spek­ti­ven für Flücht­lin­ge. Vor allem die Fokus­sie­rung auf Flücht­lin­ge mit “dau­er­haf­ter Blei­be­per­spek­ti­ve” im Zusam­men­hang mit der nach spä­tes­tens 3 Jah­ren erfol­gen­den Über­prü­fung posi­ti­ver Ent­schei­dun­gen wird zu sehr deut­li­chen Ein­schrän­kun­gen führen.

Gleich mehr­fach wird im Koali­ti­ons­ver­trag fak­tisch auf die Ober­gren­ze eingegangen:
“Des­we­gen set­zen wir unse­re Anstren­gun­gen fort, die Migra­ti­ons­be­we­gun­gen nach Deutsch­land und Euro­pa ange­mes­sen mit Blick auf die Inte­gra­ti­ons­fä­hig­keit der Gesell­schaft zu steu­ern und zu begren­zen… stel­len wir fest, dass die Zuwan­de­rungs­zah­len (inklu­si­ve Kriegs­flücht­lin­ge, vor­über­ge­hend Schutz­be­rech­tig­te, Fami­li­en­nach­züg­ler, Relo­ca­ti­on, Resett­le­ment, abzüg­lich Rück­füh­run­gen und frei­wil­li­gen Aus­rei­sen künf­ti­ger Flücht­lin­ge und ohne Erwerbs­mi­gra­ti­on) die Span­ne von jähr­lich 180 000 bis 220 000 nicht über­stei­gen wer­den. Dem dient auch das nach­fol­gen­de Maß­nah­men­pa­ket.” (Z. 4810 ff.)

Die fol­gen­den Sät­ze bedeu­ten im Klar­text, dass die ‘Rück­füh­run­gen’ nach dem Dub­lin III-Abkom­men in ande­re EU-Län­der aus­ge­wei­tet wer­den und die Asyl­be­wer­ber­leis­tun­gen wei­ter ein­ge­schränkt wer­den sollen:
“Dabei muss klar sein, dass eine unbe­fris­te­te Beru­fung auf einen ande­ren Staat der Erst­ein­rei­se aus­schei­det. … Damit eine Ver­tei­lung in der Pra­xis funk­tio­niert, muss es wirk­sa­me Mecha­nis­men zur Ver­hin­de­rung von Sekun­där­mi­gra­ti­on geben. Dazu wol­len wir ins­be­son­de­re die Asyl­ver­fah­ren ein­schließ­lich der Stan­dards bei der Ver­sor­gung und Unter­brin­gung von Asyl­be­wer­bern har­mo­ni­sie­ren und dafür sor­gen, dass vol­le Leis­tun­gen nur noch im zuge­wie­se­nen EU-Mit­glied­staat gewährt wer­den.” (Z. 4849 ff.)

Der seit März 2016 für 2 Jah­re aus­ge­setz­te Fami­li­en­nach­zug soll nach einer Ver­län­ge­rung um wei­te­re 4 1/2 Mona­te künf­tig nur in sehr gerin­gem Umfang mög­lich sein, mit bis­her nicht bekann­ten Auswahlkriterien:
“Für die Fra­ge des Fami­li­en­nach­zugs wird Bezug genom­men auf das Gesetz zur Ver­län­ge­rung der Aus­set­zung des Fami­li­en­nach­zugs zu sub­si­di­är Schutz­be­rech­tig­ten. Das Nähe­re regelt ein noch zu erlas­sen­des Bundesgesetz.
Für die­se Rege­lung zum Fami­li­en­nach­zug bei sub­si­di­är Geschütz­ten ab dem 1. August 2018 ist die Fest­set­zung erfolgt, dass der Zuzug auf 1000 Per­so­nen pro Monat begrenzt ist und die Här­te­fall­re­ge­lung nach §§ 22 und 23 Auf­ent­halts­ge­setz jen­seits die­ses Kon­tin­gents Anwen­dung fin­det. Die wei­te­re Aus­ge­stal­tung des Geset­zes obliegt den Koali­ti­ons­par­tei­en bzw. deren Bundestagsfraktionen.
Die­ser Fam­li­en­nach­zug wird nur gewährt, wenn

eine Aus­rei­se kurz­fris­tig nicht zu erwar­ten ist.” (Z. 4879 ff.)

Sprach­för­de­rung und Arbeits­ver­mitt­lung sol­len nur noch für weni­ge Flücht­lin­ge erfolgen:
“Wir beken­nen uns zur Inte­gra­ti­on für die­je­ni­gen mit dau­er­haf­ter Blei­be­per­spek­ti­ve. Dazu gehö­ren Spra­che und Arbeit.” (Z. 4967 f.)

Flücht­lin­ge müs­sen künf­tig damit rech­nen, dass sie lager­ähn­li­che Ein­rich­tun­gen nicht mehr ver­las­sen dürfen:
“Asyl­ver­fah­ren … Deren Bear­bei­tung erfolgt künf­tig in zen­tra­len Aufnahme‑, Ent­schei­dungs- und Rück­füh­rungs­ein­rich­tun­gen, in denen BAMF, BA, Jugend­äm­ter, Jus­tiz, Aus­län­der­be­hör­den und ande­re Hand in Hand arbei­ten. In den AnKER-Ein­rich­tun­gen sol­len Ankunft, Ent­schei­dung, kom­mu­na­le Ver­tei­lung bzw. Rück­füh­rung (AnKER) statt­fin­den.” (Z. 5006 ff.)
“Wir stre­ben an, nur die­je­ni­gen auf die Kom­mu­nen zu ver­tei­len, bei denen eine posi­ti­ve Blei­be­pro­gno­se besteht. Alle ande­ren sol­len, wenn in ange­mes­se­ner Zeit mög­lich, aus die­sen Ein­rich­tun­gen in ihre Hei­mat­län­der zurück­ge­führt wer­den.” (Z. 5038 ff.)

Und kein Flücht­ling soll sich sicher füh­len können:
“Spä­tes­tens drei Jah­re nach einer posi­ti­ven Ent­schei­dung ist eine Über­prü­fung des gewähr­ten Schut­zes erfor­der­lich.” (Z. 5042 f.)

Noch ein wei­te­res Instru­ment zur Kür­zung von Leis­tun­gen wird ein­ge­führt, qua­si mit Gesinnungsprüfung:
“Gera­de im Inter­es­se der wirk­lich Schutz­be­dürf­ti­gen und der Akzep­tanz in der Bevöl­ke­rung wol­len wir Aus­rei­se­pflich­ti­ge stär­ker danach unter­schei­den, ob sie unver­schul­det an der Aus­rei­se gehin­dert sind oder ihnen die feh­len­de Mög­lich­keit zur Durch­set­zung ihrer Aus­rei­se­pflicht zuge­rech­net wer­den muss. Die­se Unter­schei­dung hat auch Kon­se­quen­zen, bei­spiels­wei­se hin­sicht­lich des Bezugs von Leis­tun­gen. Ent­spre­chen­dem Ände­rungs­be­darf wer­den wir nach­kom­men.” (Z. 5053 ff.)

Ein­ma­li­ges Schwarz­fah­ren mit Bus oder Bahn (und sei es aus Unkennt­nis) kann die Abschie­bung zur Fol­ge haben:
“Das Bun­des­amt für Migra­ti­on und Flücht­lin­ge ist mög­lichst früh­zei­tig über die Ein­lei­tung eines Straf­ver­fah­rens zu infor­mie­ren. Dazu wer­den wir § 8 Abs. 1a des Asyl­ge­set­zes ändern.
Wer sein Auf­ent­halts­recht dazu miss­braucht, um Straf­ta­ten zu bege­hen, muss unser Land ver­las­sen.” (Z. 5060 ff.)

Der Rechts­staat wird für Flücht­lin­ge wei­ter ein­ge­schränkt (oder was sonst ist mit prak­ti­ka­bler Aus­ge­stal­tung des Beschwer­de­ver­fah­rens zwecks Erhö­hung der Rück­füh­rungs­maß­nah­men gemeint?):
“Abschie­be­haft und Aus­rei­se­ge­wahr­sam, ein­schließ­lich des Beschwer­de­ver­fah­rens, wer­den wir prak­ti­ka­bler aus­ge­stal­ten, die Vor­aus­set­zun­gen absen­ken und kla­rer bestim­men. Ziel ist, die Zufüh­rungs­quo­ten zu Rück­füh­rungs­maß­nah­men deut­lich zu erhö­hen.” (Z. 5069 ff.)

Und die Anzahl der angeb­lich siche­ren Her­kunfts­staa­ten wird um 3 + x Län­der wei­ter erhöht, so dass Abschie­bun­gen in die­se Län­der deut­lich erleich­tert werden:
“Zum Zwe­cke der Ver­fah­rens­be­schleu­ni­gung wer­den Alge­ri­en, Marok­ko und Tune­si­en sowie wei­te­re Staa­ten mit einer regel­mä­ßi­gen Aner­ken­nungs­quo­te unter fünf Pro­zent zu siche­ren Her­kunfts­staa­ten bestimmt.” (Z. 5074 ff.)

War die AfD an die­sen Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen schon beteiligt?
Und hat die SPD das wirk­lich alles unterschrieben?

PM der Sau­er­län­der Bür­ger­lis­te (SBL/FW)