War­um eine Behör­de “Mani­pu­la­ti­on” verhindert…

26. Oktober 2016
von Redaktion

Hoch­sauer­land­kreis.

Dass immer wie­der ver­sucht wird, irgend­wo zu mani­pu­lie­ren, über­rascht ja nicht. Dass es erfreu­li­cher­wei­se auch Ver­su­che gibt, Mani­pu­la­tio­nen zu ver­hin­dern, wis­sen wir auch. Die Erkennt­nis, dass eine sehr unge­wöhn­li­che “Mani­pu­la­ti­on” droh­te, die die Kreis­ver­wal­tung ver­hin­dert hat, ver­dan­ken wir der Ant­wort der Kreis­ver­wal­tung auf eine schrift­li­che Anfra­ge der SBL/FW-Kreis­tags­frak­ti­on!

Der Sach­ver­halt ist etwas kom­pli­ziert. Es geht – mal wie­der – um den Ent­wurf der Fort­schrei­bung des Ret­tungs­dienst­be­darfs­plans, der am Frei­tag (28.10.2016) vom Kreis­tag beschlos­sen wer­den soll. Die­ser Plan legt z.B. fest, wie vie­le Ret­tungs­trans­port­wa­gen (RTW) zu wel­chen Zei­ten in den 12 Ret­tungs­wa­chen im HSK mit Per­so­nal ein­satz­be­reit sind. Falls die Mehr­heit der Kreis­tags – wie fast immer – dem Vor­schlag der Kreis­ver­wal­tung folgt, wür­de sich ab Janu­ar 2017 eine dras­ti­sche Redu­zie­rung der Not­fall­ein­satz­be­reit­schaft für die Ret­tungs­wa­chen im nord­öst­li­chen Kreis­ge­biet, also in Mars­berg, Bri­lon und Ols­berg erge­ben. Dort wird – wie in allen Ret­tungs­wa­chen im Kreis­ge­biet – rund um die Uhr ein RTW mit 2 Per­so­nen Besat­zung ein­satz­be­reit vor­ge­hal­ten. Auch in die­sen 3 Ret­tungs­wa­chen steht bis­her außer­dem an allen 7 Tagen in der Woche jeweils von 7 bis 19 Uhr ein zwei­ter RTW ein­satz­be­reit, also 84 Stun­den je Woche. Künf­tig soll der 2. RTW in Mars­berg und Bri­lon nur noch an 8 Stun­den pro Woche für Not­fall­ein­sät­ze bereit ste­hen, in Ols­berg an 40 Stun­den pro Woche. Außer­dem gibt es für alle 3 Ret­tungs­wa­chen zusam­men noch ein wei­te­res Fahr­zeug, das aber für Kran­ken­trans­por­te vor­ge­se­hen ist.

Die sog. Hilfs­frist beträgt im Kreis­ge­biet 12 Minu­ten: Die­se Zeit­span­ne von der Alar­mie­rung bis zum Ein­tref­fen des RTW am Ein­satz­ort soll nur in höchs­tens 10% aller Not­fäl­le über­schrit­ten wer­den. Bis­her lag der Anteil der Über­schrei­tun­gen bereits um etwa die Hälf­te höher als die Ziel­vor­ga­be. Haupt­grund ist, dass häu­fig in der eigent­lich zustän­di­gen Ret­tungs­wa­che kein RTW “frei” ist. Wenn nun die RTW aus­ge­dünnt wer­den und gleich­zei­tig – wie in den letz­ten Jah­ren zu beob­ach­ten – die Anzahl der Ein­sät­ze steigt, ist zu erwar­ten, dass sich der Anteil der Fris­t­über­schrei­tun­gen wei­ter erhöht. Das wäre sehr nach­tei­lig für die Ver­sor­gung der Not­fall­pa­ti­en­ten. In Bri­lon ste­hen zwar künf­tig sogar 3 RTW in der Gara­ge, aber Per­so­nal wird nur für einen Not­fall-RTW vorgehalten.

Nun soll es künf­tig aber auch Ret­tungs­wa­chen geben, in denen sogar nachts ein 2. RTW ein­satz­be­reit gehal­ten wird, obwohl dies kei­nen Sinn ergibt. Die Kreis­ver­wal­tung hat­te Gut­ach­ter aus Bonn mit der Aus­wer­tung der Daten­sät­ze über die Ein­sät­ze des Jah­res 2013 beauftragt.
In der Ret­tungs­wa­che Sun­dern sind im gan­zen Jahr ins­ge­samt ledig­lich 32 rele­van­te Ein­sät­ze in allen 50 Nacht­schich­ten ange­fal­len, die an einem Frei­tag Abend began­nen, also etwa 0,6 Ein­sät­ze pro Schicht. Trotz­dem sol­len dort laut Gut­ach­ten und Ent­wurf des Bedarfs­plans künf­tig in die­ser Schicht immer 2 RTW ein­satz­be­reit sein. Ursäch­lich dafür ist ein ein­zi­ger Ein­satz im August 2013 beim Auf­tre­ten des Noro-Virus in einem Som­mer­fe­ri­en­la­ger in Sun­dern-Wes­ten­feld. Dafür waren 33 RTW im Ein­satz mit Ein­satz­dau­ern bis zu 15 Stun­den je Fahr­zeug. Nur durch die­sen einen Mas­sen-Ein­satz erhöh­te sich die angeb­li­che Anzahl der Ein­sät­ze um die Hälf­te, denn die RTW aus den Ret­tungs­wa­chen wur­den so gezählt, als ob sie zu 15 ein­zel­nen Ein­sät­zen gefah­ren wären. Der sta­tis­ti­sche Durch­schnitt für die Dau­er eines Ein­sat­zes stieg für die­se Schicht von ca. 65 auf ca. 153 Minu­ten. So ent­stand nun sta­tis­tisch ein angeb­lich dau­er­haf­ter Bedarf für einen 2. RTW in die­ser Schicht.
Ein gleich­ar­ti­ger Fall trat im Bereich der Ret­tungs­wa­che Arns­berg durch den Brand in einem Alten­heim an einem Frei­tag Abend im Okto­ber 2013 auf; hier waren 23 RTW im Ein­satz, teil­wei­se über 5 Stun­den lang. Auch hier soll nun in der Schicht von Frei­tag Abend bis Sams­tag Mor­gen immer ein 2. RTW vor­ge­hal­ten wer­den, wäh­rend in der vor­her­ge­hen­den Schicht am Frei­tag Nach­mit­tag trotz grö­ße­rer Ein­satz­häu­fig­keit ein ein­zi­ger RTW aus­rei­chen soll.
Das waren übri­gens im gesam­ten Jahr 2013 und im gesam­ten Kreis­ge­biet die ein­zi­gen bei­den Not­fall­ein­sät­ze zu Ereig­nis­sen, die als “MANV III” oder “MANV IV” klas­si­fi­ziert sind. “MANV” steht dabei in der Spra­che des Ret­tungs­we­sens für “Mas­sen­an­fall von Ver­letz­ten”, “III” für 13 bis 25 betrof­fe­ne Per­so­nen, “IV” für mehr als 25 Personen.

In ihrer Ant­wort auf eine Anfra­ge zu die­sen sehr merk­wür­di­gen Erkennt­nis­sen führ­te die Kreis­ver­wal­tung am 24.10.2016 aus: Es “wur­den die Leit­stel­len­roh­da­ten … nach, in Abstim­mung mit dem Gut­ach­ter fest­ge­leg­ten Kri­te­ri­en, berei­nigt.” Und: “Eine wei­te­re Nicht­be­rück­sich­ti­gung ein­zel­ner Ein­satz­da­ten stellt eine Mani­pu­la­ti­on der Daten­grund­la­ge dar… Fin­den ein­zel­ne Ein­sät­ze kei­ne Berück­sich­ti­gung, sind sowohl die Glaub­wür­dig­keit des Gut­ach­tens sowie die Sinn­haf­tig­keit der Fort­schrei­bung des Bedarfs­plans in Fra­ge zu stel­len“.

Die­se “Logik” der miss­lun­ge­nen Berei­ni­gung ist für Kom­mu­nal­po­li­ti­ker, die nicht selbst Ver­wal­tungs­be­am­te sind, schwer zu durch­schau­en. Denn dadurch wird unter­stellt, dass auch künf­tig eine der­ar­ti­ge Mas­sen­er­kran­kung oder ein Brand nur am sel­ben Wochen­tag und zur sel­ben Tages­zeit und im Bereich der­sel­ben Ret­tungs­wa­che wie 2013 auf­tritt, aber nir­gend­wo und nir­gend­wann anders. Wäh­rend sich Ein­sät­ze für Unfäl­le und plötz­lich auf­tre­ten­de ernst­haf­te Erkran­kun­gen sinn­voll nach Ort und Zeit kal­ku­lie­ren las­sen, ist das bei sol­chen ein­zel­nen und sel­te­nen Groß­ereig­nis­sen nicht der Fall. Dann wer­den sowie­so meh­re­re RTW benö­tigt, aus ande­ren Orten. Aber der nächs­te Noro-Virus oder der nächs­te Brand mit vie­len Betrof­fe­nen könn­ten auch in jedem ande­ren Ort und zu jeder Zeit auf­tre­ten – was selbst­ver­ständ­lich nie­mand wünscht. Der 2. RTW in einer ein­zel­nen Schicht in Sun­dern und Arns­berg bringt dafür kei­nen Nutzen.

Die­se unsin­ni­ge Vor­hal­tung eines 2. RTW in den Nacht­schich­ten in zwei Ret­tungs­wa­chen wird wäh­rend der zu erwar­ten­den Lauf­zeit des Ret­tungs­dienst­be­darfs­plans zusätz­li­che Per­so­nal­kos­ten von mehr als 500.000 Euro ver­ur­sa­chen – ohne adäqua­ten Nut­zen. Gleich­zei­tig feh­len an ande­ren Orten und zu ande­ren Zei­ten dort drin­gend benö­tig­te RTW. Tat­säch­lich wäre die “Mani­pu­la­ti­on” dann ver­hin­dert wor­den, wenn man für sol­che sin­gu­lä­ren Ereig­nis­se kreis­wei­te Not­fall­plä­ne auf­stel­len wür­de, und zwar für die gesam­te Woche.

Beson­ders pikant: Aus­ge­rech­net die von der Kreis­ver­wal­tung beauf­trag­ten Gut­ach­ter schrei­ben in einem im Jahr 2012 erschie­ne­nen Buch mit dem Titel “Regel­werk zur Bedarfs­pla­nung Ret­tungs­dienst” zum sta­tis­ti­schen Umgang mit sol­chen Fäl­len: “Aus­zu­neh­men von der Grund­an­nah­me der Unab­hän­gig­keit der Not­fall­ereig­nis­se und der damit ver­bun­de­nen Anzahl an gleich­zei­tig benö­tig­ten Fahr­zeu­gen sind beson­de­re Scha­dens­la­gen, die einen gleich­zei­ti­gen Ret­tungs­mit­tel­be­darf über die dienst­plan­mä­ßi­ge Regel­vor­hal­tung hin­aus im Ver­sor­gungs­be­reich der Ret­tungs­wa­che zur Fol­ge haben und die nicht mehr unter die Auf­ga­ben­stel­lung zur Bemes­sung der Ret­tungs­mit­tel­vor­hal­tung für die Not­fall­ret­tung fal­len.
Sehr wahr! So soll­te man es machen! Aber das wäre für die Kreis­ver­wal­tung ja eine “Mani­pu­la­ti­on”…

PM der Sauer­län­der Bür­ger­lis­te (SBL/FW)