Sperr­klau­sel führt zu Kla­gen beim Landesverfassungsgerichtshof

19. Dezember 2016
von Redaktion

Hoch­sauer­land­kreis.

Der NRW-Land­tag am 10.06.2016 beschlos­sen, dass ab der nächs­ten Kom­mu­nal­wahl nur noch Par­tei­en und Wäh­ler­grup­pen bei der Sitz­ver­tei­lung berück­sich­tigt wer­den, die min­des­tens 2,5 Pro­zent der Stim­men erhal­ten haben. Geän­dert wur­den des­we­gen nicht nur das Kom­mu­nal­wahl­ge­setz, son­dern auch die Landesverfassung.
Dage­gen sind mitt­ler­wei­le sie­ben sog. Organ­kla­gen beim Lan­des­ver­fas­sungs­ge­richts­hof in Müns­ter ein­ge­gan­gen. Zu den Klä­gern gehö­ren die Pira­ten, Die Lin­ke und die ÖDP. Eine der Kla­gen hat am 10.12.2016 die Sauer­län­der Bür­ger­lis­te e.V. in Müns­ter ein­ge­reicht. Über die Kla­ge infor­miert der Ver­fas­sungs­ge­richts­hof hier: http://​www​.vgh​.nrw​.de/​p​r​e​s​s​e​m​i​t​t​e​i​l​u​n​g​e​n​/​1​4​_​1​6​1​2​1​5​/​i​n​d​e​x​.​php.

Die Prä­si­den­tin der Lan­des­ver­fas­sungs­ge­richts­hof hat der SBL mit­ge­teilt, dass die Kla­ge an den Land­tag über­sandt wur­de, der bis zum 28.02.2017 Gele­gen­heit zur Stel­lung­nah­me hat.

Der Ver­fas­sungs­ge­richts­hof hat­te bereits im Jahr 1999 ent­schie­den, dass die damals im Kom­mu­nal­wahl­ge­setz gere­gel­te 5 %-Sperr­klau­sel mit der Lan­des­ver­fas­sung nicht ver­ein­bar war (Urteil vom 6. Juli 1999 – VerfGH 14/98, 15/98 –). Damals war die Sperr­klau­sel aller­dings nur im Kom­mu­nal­wahl­ge­setz und nicht auch in der Lan­des­ver­fas­sung enthalten.

Zur Begrün­dung der Kla­ge weist die SBL dar­auf hin, dass durch die Sperr­klau­sel das Recht auf Chan­cen­gleich­heit und auf Gleich­heit der Wahl (aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 2 des Grund­ge­set­zes sowie Art. 1 Abs. 1, Art. 2 der Lan­des­ver­fas­sung) ver­letzt wer­de. Die Sperr­klau­sel bewir­ke eine Ungleich­be­hand­lung hin­sicht­lich des Erfolgs­wer­tes der für ein­zel­ne Par­tei­en und Wäh­ler­grup­pen abge­ge­be­nen Wäh­ler­stim­men. Stim­men für Kan­di­da­ten einer Lis­te, die an der Sperr­klau­sel schei­te­re, wür­den nicht berück­sich­tigt. Erschwe­rend kom­me hin­zu, dass sich die Sperr­klau­sel bereits im Vor­feld der Sitz­ver­tei­lung nach­tei­lig auf klei­ne­re Par­tei­en und Wäh­ler­grup­pen aus­wir­ke, weil vie­le Wäh­ler wegen der ver­meint­li­chen Chan­cen­lo­sig­keit sol­cher Par­tei­en und Wäh­ler­grup­pen davon absä­hen, für die­se zu stim­men. Die­se Beein­träch­ti­gun­gen der Wahl­rechts- und Chan­cen­gleich­heit sei­en ver­fas­sungs­recht­lich nicht gerecht­fer­tigt. Ins­be­son­de­re gebe es trotz der Abschaf­fung der frü­he­ren kom­mu­nal­wahl­recht­li­chen Sperr­klau­sel in Nord­rhein-West­fa­len kei­ne beleg­ba­ren Hin­wei­se auf dro­hen­de Beein­träch­ti­gun­gen der Funk­ti­ons­fä­hig­keit der Kom­mu­nal­ver­tre­tun­gen infol­ge einer „Par­tei­zer­split­te­rung“.

In der Kla­ge­schrift der SBL wer­den aus­zugs­wei­se die Stel­lung­nah­men der Jura-Pro­fes­so­ren Hin­nerk Wiß­mann, Urs Kra­mer und Jan­bernd Oeb­be­cke zitiert, die sie bei einer Anhö­rung des Haupt­aus­schus­ses im Land­tag am 21.01.2016 vor­ge­tra­gen haben. Auch die­se drei Exper­ten hal­ten die Sperr­klau­sel für nicht ver­ein­bar mit den Anfor­de­run­gen des Grunds­ge­set­zes. Dort heißt es z.B.:
“Der Gesetz­ent­wurf … genügt nicht den ver­fas­sungs­recht­li­chen Anfor­de­run­gen, die an die Ein­schrän­kung der Wahl­rechts­gleich­heit in Bezug auf Kom­mu­nal­ver­tre­tun­gen gestellt wer­den.” (Wiß­mann)
“Im Ergeb­nis ist die Ein­füh­rung einer Sperr­klau­sel für Kom­mu­nal­wah­len sowohl durch ein ein­fa­ches als auch durch ein ver­fas­sungs­än­dern­des Gesetz an der durch das Demo­kra­tie­prin­zip der nord­rhein-west­fä­li­schen Ver­fas­sung und das Homo­ge­ni­täts­ge­bot des Grund­ge­set­zes gewähr­leis­te­ten Wahl­rechts­gleich­heit zu mes­sen… Auf die­ser Grund­la­ge ver­mö­gen die der­zeit in Nord­rhein-West­fa­len vor­herr­schen­den Umstän­de die Ein­füh­rung einer Sperr­klau­sel nicht zu tra­gen. Bezeich­nen­der­wei­se wird ein sol­cher Grund, soweit ersicht­lich, bis­her eben auch in kei­nem ande­ren Flä­chen­staat der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land gese­hen.” (Kra­mer)
“Der Ver­such, dem stren­gen Maß­stab des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG durch Auf­nah­me der Sperr­klau­sel in die Ver­fas­sung aus­zu­wei­chen, ist untaug­lich… Der mit der Sperr­klau­sel ver­bun­de­ne Ein­griff in die Wahl­rechts­gleich­heit kann nicht mit der Gefähr­dung der Funk­ti­ons­fä­hig­keit der Gemein­den und Krei­se im Lan­de gerecht­fer­tigt wer­den.” (Oeb­be­cke)

Als Beson­der­heit geht die Kla­ge der SBL auch auf die spe­zi­el­le Situa­ti­on im Kreis­tag des Hoch­sauer­land­krei­ses ein. Dort besteht fak­tisch eine “GanzGanz­Gro­ß­e­Ko­ali­ti­on”. Wenn auf­grund der Sperr­klau­sel SBL, Lin­ke und Pira­ten nicht mehr im nächs­ten Kreis­tag ver­tre­ten wären, könn­te der Kreis­tag oppo­si­ti­ons­frei wer­den. Das wäre ange­nehm für den Land­rat und die GaGa­Gro­Ko, aber sicher nicht im Sin­ne der Demokratie!

PM der Sauer­län­der Bür­ger­lis­te (SBL/FW)