SBL/FW: Nicht überall, wo “SPD” draufsteht, ist auch Sozialdemokratie drin

Hochsauerlandkreis. Wir hatten bereits darüber berichtet, dass sich die HSK-SPD – wie auch die CDU im Kreis – leider nicht am Wahl-O-Mat für die Kreistagswahl beteiligt. Das erschwert einen Vergleich der inhaltlichen Positionen mit anderen kandidierenden Listen erheblich. Die CDU hat kurz vor der Wahl noch einen Prospekt verteilt, dessen Inhalt wir hier analysiert haben.

Noch später hat jetzt die SPD eine Wurfsendung verteilt. Heute morgen – also etwa 48 Stunden vor der Öffnung der Wahllokale – fand sich diese Last-Minute-Post im Briefkasten. Wie schon vor einigen Tagen bei der CDU, folgt hier eine Analyse einiger Aussagen aus dieser Wurfsendung. Das 6seitige Faltblatt enthält 3 Seiten über den Wahlkreiskandidaten, 2 Seiten über den Landratskandidaten und eine Seite mit 10 wesentlichen Punkten aus dem Kreiswahlprogramm; alle Punkte beginnen mit “gut”.

Aus den Schlagworten zum Wahlprogramm ergeben sich bereits einige Fragen: Was haben wir uns z.B. als “Gute Infrastruktur im Sauerland” vorzustellen? Prinzipiell wird niemand etwas gegen “gute” Infrastruktur haben, wenn man weiss, was damit gemeint ist. Geht es um Autobahnen, Schienenstrecken, Flughäfen, Hallen- oder Freibäder, Strom- oder Gasleitungen, Internet, Verwaltungsgebäude oder um was? Niemand wird etwas gegen seiner Meinung nach “gute” Infrastruktur haben, aber mit solchen Formulierungen kann man nichts anfangen, da ihnen jede Konkretisierung fehlt!

Im Text des Wahlkreiskandidaten steht der Satz: “Chancengleichheit, soziale Gerechtigkeit und Transparenz sind in unserem Leitbild der ‘Rote Faden’, an dem wir uns orientieren.” Da fallen dem Chronisten spontan zahlreiche Beispiele aus den letzten Jahren ein, wo genau dieser ‘Rote Faden’ bei der SPD nicht zu erkennen war: Einführung eines Sozialtickets auch im HSK, für günstigere Fahrpreise wie in vielen anderen Kreise, mit Zuschuss des Landes? Ausgerechnet dieser SPD-Wahlkreiskandidat argumentierte im Februar 2014 im Wirtschaftsausschuss dagegen und verhinderte, dass der Kreis eine Forderung der SBL und des Rates der Stadt Brilon umsetzte Angemessene Unterkunftskosten für Empfänger von Alg2 und Sozialgeld, nachdem die Kreisverwaltung mit einem neuen Konzept die höchstzulässigen Mieten drastisch gesenkt hatte? Die SPD stimmte gegen den Antrag der SBL, dieses “Konzept” abzulehnen; nun droht hunderten von betroffenen Bedarfsgemeinschaften, dass sie aus ihren Wohnungen ausziehen sollen.

Errichtung einer Gesamtschule als Alternative zu den bisher im Kreisgebiet vorhandenen Schulformen, um mehr Chancengleichheit zu haben? Auch hier stimmte die SPD gegen die Anträge der SBL, in denen es nur um weitere sachkundige Informationen und um Befragungen der Eltern ging, noch lange nicht um die Gründung einer neuen Schule.

Übertragung der Kreistagssitzung im Internet? Auch diesen Vorschlag der SBL, durch den mehr Transparenz in die Arbeit der Kreispolitik kommen sollte, unterstützte die SPD nicht. Stattdessen meckerte sie über Zuhörer, die Fotos von der Kreistagssitzung machten?!

Öffentliche Beschlussfassung über den Vorschlag des Landrats, für 30 Mio Euro zusätzliche RWE-Aktien zu kaufen? Der Beschluss wurde vom Kreistag hinter verschlossenen Türen gefasst, weil CDU und SPD gegen die von der SBL für notwendig erachtete Öffentlichkeit waren. In den 4 1/2 Jahren seit dem Kauf haben diese Aktien mehr als die Hälfte ihres Wertes verloren, und die Dividende ich auf nur noch 1 Euro gefallen. Das Ergebnis der Abstimmung wäre in öffentlicher Sitzung vielleicht anders ausgefallen, denn die hohen Risiken beim RWE-Aktienkauf waren absehbar. Dem HSK wären dann hohe Verluste erspart geblieben?

Als der Kreistag vor 3 Jahren der Entscheidung stand, aus Mitteln aus dem Konjunkturpaket das Dach der Motorflugzeughalle auf dem Flugplatz Meschede-Schüren zu erneuern oder Schulgebäude energetisch zu sanieren, stimmte die SPD-Fraktion geschlossen für die Motorflugzeughalle. Damit verschaffte sie dem Landrat die Mehrheit, die er bei dieser Abstimmung wegen einiger “Widerständler” alleine mit seiner CDU-Fraktion nicht gehabt hätte. War das eine soziale und gerechte Entscheidung?

Gründliche Diskussion des neuen Bodengutachtens für die Erweiterung des Sauerlandmuseums? Landrat und Kreisverwaltung hielten das neue Gutachten fast 4 Monate lang unter Verschluss; erst 10 Tage vor der entscheidenden Kreistagssitzung wurden einige wenige Ergebnisse veröffentlicht. Den Antrag der SBL, die schwerwiegende Entscheidung (denn es geht um mindestens 13 Mio Euro) um ca. 6 Wochen zu vertagen, lehnte auch die SPD ab. Zur Transparenz gehört es aber, sich vor solchen Entscheidungen gründlich informieren und mit Fachleuten beraten zu können.

Und dann fordert der Wahlkreiskandidat “Beitragsfreie Kindergärten“. Das hört sich zunächst gut an, ist aber kein Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit. Das letzte Kindergartenjahr ist bereits beitragsfrei, die Elternbeiträge für die anderen Jahre sind sehr stark sozial gestaffelt. Würde man die Elternbeiträge für alle Eltern ganz abschaffen, würde die daraus resultierende Finanzierung der Kitas eine Umverteilung von oben nach unter bedeuten. Außerdem besteht die Gefahr eines deutlichen Qualitätsverlust. Beides ist nicht sozial gerecht.

Besonders nebulös sind die Aussagen zu Erneuerbaren Energien. Dazu schriebt der Landratskandidat: “Um die geplante Energiewende zu einem Erfolgsmodell werden zu lassen, müssen alle Kriterien zu Ende gedacht werden. Eine derartige Aufgabe kann nur zusammen und mit Zustimmung der Bürger und Unternehmen bewältigt werden.” Was will er denn nun? Welche inhaltlichen Ziele har der Kandidat? Illusion ist es jedenfalls, Zustimmung von allen erhalten zu wollen. Vielleicht hängen diese völlig nichtssagenden Sätze damit zusammen, dass der Kandidat bei der Fa. Westnetz angestellt ist, einem Tochterunternehmen der RWE, das für die Verteilnetze der RWE zuständig ist…

Wie auch bei der CDU lohnt es sich zu überlegen, welche Themen, die politisch interessierte Leserinnen und Leser bei der SPD normalerweise für wichtig halten würden, in diesem Faltblatt überhaupt nicht angesprochen werden. Bildungs- und insbesondere Schulpolitik (außer der sehr allgemeinen Aussage, “dass unsere Kinder gern zur Schule gehen”)? Integration? Inklusion? Klimaschutzkonzept? Sozialleistungen? Sozialberatung? Arbeitsplatzgestaltung? Pflegeangebote und -beratung? Altersarmut? Barrierefreiheit? alles Fehlanzeige!! Fazit: Bei keiner anderen Partei oder Gruppe im HSK ist der Unterschied zwischen den bei der Partei zu erwartenden inhaltlichen Positionen und ihrem tatsächlichen Handeln so groß wie bei der Kreistagsfraktion der SPD im HSK. Es bleibt zu hoffen, dass sich die inhaltliche Ausrichtung in der kommenden Wahlperiode deutlich verändert, sei es als Teil der Opposition oder in einer anderen Rolle. Wer eine inhaltlich starke Opposition haben möchte, darf im HSK nicht SPD wählen!

Quelle: Sauerländer Bürgerliste (SBL/FW)