Leserbrief: Nelliusstraße Sundern-Hachen

Sundern. Nach dem für die Bürgerinitiative Nelliusstraße Sundern-Hachen überaus erfolgreichen Bürgerbegehren will nun der Rat der Stadt Sundern einen Bürgerentscheid, zu dem alle wahlberechtigten Bürger aus allen Ortsteilen aufgerufen sind. Vom 22. April bis zum 6. Mai 2014 kann man an Werktagen von 8.30 bis 16.00 Uhr im Bürgerbüro Raum 009 des Rathauses seine Stimme abgeben, dienstags und donnerstags bis 18.00 Uhr, am Sonntag von 9.00 bis 12.00 Uhr. Unterlagen für die Briefwahl können im Bürgerbüro abgeholt oder schriftlich beantragt werden. Wenn die Namensgebung einer Straße eine Ehre ist, so bedeutet die Wegnahme das Gegenteil, nämlich eine Entehrung. Die Benennung eines wichtigen Sauerländer Komponisten aus dem öffentlichen Bereich zu entfernen bedeutet folglich eine Entehrung, die man als kulturfeindlichen Schlag gegen alle Sängerinnen und Sänger in der Stadt interpretieren kann. Auch der Förderung des Sauerländer Platt wird ein Bärendienst erwiesen. Der erste offensichtliche Schaden ist schon eingetreten. Beim 130-jährigen Jubiläum des Chores Musica Eintracht Hachen am letzten Wochenende konnte nicht einmal das Lied „Meyn Duarp“ mit dem Text des 1917 im 1. Weltkrieg gefallenen Johann Anton Henke aus Frettermühle gesungen werden. Bei der Beurteilung des „Problems“ Nellius hilft ein Blick in die damaligen Zeitumstände. Im Jahr 1979, vier Jahre nach der Einführung des Straßennamens Nelliusstraße durch den Rat der Gemeinde Hachen unter Mitwirkung von Amtsbürgermeister Josef Klauke und des Stadtrats der jungen Stadt Sundern unter der Leitung von Bürgermeister Franz-Josef Tigges – amtlich geehrt durch einen eigenen Platz – feierte der Männergesangverein Cäcilia Sundern sein 100-jähriges Bestehen mit einer lesenswerten Festschrift von 95 Seiten. Verfasser sind u. a. Dr. Hubert Schmidt, Friedel Schültke und Gerhard Scheffer. 1934 verlangten die Nationalsozialisten die Einführung des Führerprinzips. Vorsitzender Hubert Scheffer-Michels war nun Vereinsführer. Im Protokollbuch steht zu lesen: „Der Arier-Paragraph besteht bereits für unseren Verein und ist derselbe bislang immer streng beachtet worden.“ Die neuen Bestimmungen galten für den ganzen Deutschen Sängerbund. Dazu gehörte auch die Einrichtung der Stelle eines „Propagandaleiters“ im Vorstand. Dieser musste Parteimitglied sein und hatte darauf zu achten, dass alles im Verein „linientreu“ vonstatten ging. Breiten Raum nimmt die Berichterstattung zum Deutschen Sängerbundesfest 1937 in Breslau ein, an dem mehrere Tausend Sänger teilnahmen. Schirmherr: Der „Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda Dr. Josef Göbbels“. Cäcilia Sundern und Liederfreund Neheim bildeten eine Chorgemeinschaft für die Uraufführung der beiden großen geistlichen Werke von Georg Nellius: „Stabat Mater dolorosa“ (Christi Mutter stand mit Schmerzen …) op. 56, komponiert 1932, und „Requiem“ op. 58, komponiert 1933 nach dem Text der katholischen Begräbnisliturgie. Dirigent: Georg Nellius, Präsident des Westfälischen Sängerbundes und „Gauchorleiter“. Zur Generalprobe in der Sunderner Schützenhalle erklärte Pfarrer Johannes Soer von St. Johannes in Sundern – auch er wird durch eine Straße geehrt – „ … Es ist die einzige religiöse Aufführung eines Werkes, das in Breslau geboten wird. Deshalb ist eine Empfehlung zum Besuch dieser Aufführung geboten.“ Die Nationalsozialisten fühlten sich durch die Aufführung dieser Werke in Breslau so sehr provoziert, dass der Druck auf Nellius erhöht wurde und er 1938 in die Partei eintrat, um sich und die Vereine des westfälischen Sängerbundes zu schützen. Von interessierter Stelle wird gern behauptet, es gäbe „neue Erkenntnisse über Nellius durch wissenschaftliche Forschungen“. Das stimmt nicht ! Eine Kanne voll Kaffee unterscheidet sich von einer Tasse nur dadurch, dass die Menge größer ist. Es handelt sich leider aus heutiger Sicht um die gleichen unappetitlichen und menschenverachtenden Äußerungen, die die Nationalsozialisten hören und lesen wollten. Neu ist nur die Verbreitung durch das Internet, das kostet ja nichts. Auch die Behauptung, Widerstandskämpfer und Opfer würden nicht berücksichtigt, ist falsch ! Hier nur zur Erinnerung : Wir haben in Sundern einen Dr. Josef-Kleinsorge-Platz und einen Levi-Klein-Platz, eine Geschwister-Scholl-Straße, eine Kardinal-von-Galen-Straße und eine Maximilian-Kolbe-Straße. Sollte jemand vergessen sein, der Kulturausschuss der Stadt wird umgehend für eine entsprechende Neubenennung sorgen. Der Name Nelliusstraße schadet der Stadt Sundern in keiner Weise. 38 Jahre hat sich niemand daran gestört. Eine Umbenennung und damit Entehrung eines bedeutenden Komponisten schadet erheblich mehr. Sollte jemand noch unentschlossen sein, wo er sein Kreuzchen beim Bürgerentscheid machen soll, dem sei die Auffassung des besten Nelliuskenners in der Stadt Sundern ans Herz gelegt. Franz Selter, ehemals Organist an St. Johannes Sundern, Dirigent des Kirchenchores, des MGV Cäcilia Sundern und des Oratorienchores des Musikvereins Arnsberg, nennt drei Punkte: „1. Es gibt überhaupt keinen Grund zur Umbenennung der Nelliusstraße. 2. Georg Nellius war ein hervorragender Musiker und Komponist. 3. Es gab zu meiner Zeit niemand, der nicht in irgendeiner Weise in den Nationalsozialismus verstrickt war.“

Schluss mit dem überflüssigen Umbenennungswahn ! Entscheiden Sie sich für Ja ! Sagen Sie Ja zu Respekt und Toleranz ! Sagen Sie Ja zum Erhalt des Namens Nelliusstraße !

Klaus Baulmann, Kreuzberg 63, Sundern

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