Gefäl­lig­keits­gut­ach­ten bei Abschiebungen?

8. April 2015
von Redaktion

Hoch­sauer­land­kreis.

Seit Jah­ren berich­ten Medi­en immer wie­der über von Aus­län­der­be­hör­den beauf­trag­te Gut­ach­ter, die frag­wür­di­ge Gesund­heits­gut­ach­ten über Asyl­be­wer­ber erstellt haben sol­len. Die­se dubio­sen Gut­ach­ten die­nen dann als “fach­li­che” Grund­la­ge für Abschiebungen.

2015 – Aktu­el­le Repor­ta­ge im Fern­seh­ma­ga­zin „Fakt“
So sen­de­te bei­spiels­wei­se am 31.03.2015 das ARD-Fern­seh­ma­ga­zin Fakt einen Bei­trag über einen Arzt, der vor­wie­gend in Ber­lin in meh­re­ren tau­send Abschie­be­fäl­len Gefäl­lig­keits­gut­ach­ten für die Aus­län­der­be­hör­den erstellt haben soll, und das ohne eine ent­spre­chen­de Qua­li­fi­ka­ti­on. Den Namen die­ses „Gut­ach­ters“ gab das Fern­seh­ma­ga­zin mit „Rai­ner Ler­che“ (angeb­lich wohn­haft in Kas­sel) an. Nach Recher­chen des Fern­seh­sen­ders ist der Arzt der­zeit nicht auffindbar.

2012 – Bericht von „Report Mainz“
Im Jahr 2012 sah sich nach einer ZDF-Repor­ta­ge (Report-Mainz) die Aus­län­der­be­hör­de des Rhei­nisch Ber­gi­schen Krei­ses mit dem Vor­wurf, die Behör­de bedie­ne sich „medi­zi­ni­scher Gefäl­lig­keits­gut­ach­ten“, kon­fron­tiert. In der Repor­ta­ge soll dar­ge­stellt wor­den sein, dass erheb­li­che Zwei­fel an der Befä­hi­gung des ärzt­li­chen Gut­ach­ters Micha­el K. bestehen. Er arbei­te als Arzt im Ret­tungs­dienst. Nach­for­schun­gen hät­ten erge­ben, dass die­ser Arzt ver­schie­de­nen Aus­län­der­be­hör­den und der Poli­zei bun­des­weit sei­nen „Ser­vice“ anbie­te, wobei so ein Vor­ge­hen aber wohl kein Ein­zel­fall sei.

2009/2010 – Berich­te über umstrit­te­nen „Abschie­be­gut­ach­ter“ im HSK
Auch die Aus­län­der­be­hör­de des Hoch­sauer­land­krei­ses bestell­te über einen län­ge­ren Zeit­raum wie­der­holt einen umstrit­te­nen Ner­ven­arzt aus Wein­heim als Gut­ach­ter. Die fach­li­che Kom­pe­tenz des ehe­ma­li­gen Gefäng­nis­psych­ia­ters Dr. M. war zu dem Zeit­punkt (2009/2010) in sei­nem Hei­mat­kreis schon lan­ge umstrit­ten. Dort durf­te er schon seit vie­len Jah­ren kei­ne Gut­ach­ten mehr erstel­len. Obwohl die­se Tat­sa­che all­ge­mein bekannt war, bedien­te sich der Hoch­sauer­land­kreis län­ge­re Zeit der Diens­te des damals 78jährigen Arz­tes aus dem Rhein-Neckar-Kreis.

April 2015 – Anfra­ge der Sauer­län­der Bürgerliste
Die Kreis­tags­frak­ti­on Sauer­län­der Bür­ger­lis­te (SBL/FW) bat daher den Land­rat des Hoch­sauer­land­krei­ses, Dr. Karl Schnei­der, am 7. April 2015 um die Beant­wor­tung die­ser 12 Fragen:

1. Nach wel­chen Kri­te­ri­en wählt der die HSK-Aus­län­der­be­hör­de Gut­ach­ter aus, die im jewei­li­gen Ein­zel­fall über­prü­fen, ob „Voll­stre­ckungs­hin­der­nis­se“ bestehen?
2. Wie vie­le exter­ne ärzt­li­che Begut­ach­ten wur­den seit Janu­ar 2010 bis heu­te vor geplan­ten Abschie­bun­gen durch­ge­führt? Wie vie­le Gut­ach­ten sind der­zeit anhängig?
3. Wur­den in die­sem Zeit­raum auch Gut­ach­ten durch das Kreis­ge­sund­heits­amt erstellt? Wenn ja, wie viele?
4. Wie genau berück­sich­tigt Ihre Behör­de die beson­de­ren Gege­ben­hei­ten, die bei Abschie­be­vor­ha­ben von Schwan­ge­ren, Kran­ken und ggf. von Kin­dern und unbe­glei­te­ten min­der­jäh­ri­gen Flücht­lin­gen zu beach­ten sind?
5. Wie doku­men­tiert die HSK-Aus­län­der­be­hör­de die gut­ach­ter­li­chen Emp­feh­lun­gen in Abschiebefällen?
6. In wie vie­len Fäl­len in den letz­ten 5 Jah­ren sprach sich der Gutachter/​die Gut­ach­te­rin gegen die Durch­füh­rung der Abschie­bung aus und aus wel­chen Gründen?
7. Wur­den und wer­den die vom HSK beauf­trag­ten Gut­ach­ter in Peti­ti­ons­ver­fah­ren akzep­tiert? Wenn nein, in wie vie­len Fäl­len bestand in den letz­ten 5 Jah­ren kei­ne Akzep­tanz sei­tens des Petitionsausschusses?
8. Bie­ten soge­nann­ten Abschie­be­gut­ach­ter dem HSK ihre Diens­te offen­siv an? Wenn ja, wie und wel­che? Oder sucht die Aus­län­der­be­hör­de ihrer­seits nach geeig­ne­ten Gut­ach­tern? Wenn ja, wie?
9. Wel­che und wie vie­le ver­schie­de­ne Gut­ach­ter wur­den seit Beginn des Jah­res 2010 bis heu­te vom HSK ein­ge­setzt? Über wel­che Qua­li­fi­ka­ti­on ver­fü­gen sie? Wie genau wei­sen sie Ihrer Behör­de ihre Befä­hi­gung nach?
10. Waren bzw. sind unter den von der HSK-Aus­län­der­be­hör­de beauf­trag­ten Gut­ach­tern auch die Ärz­te Rai­ner Ler­che und Micha­el K., über den „Report-Mainz“ 2012 berich­te­te, oder ande­re umstrit­te­ne Ärzte?
11. Wel­ches Honorar/​welche Kos­ten­pau­scha­le erhält ein exter­ner ärzt­li­cher „Abschie­be­gut­ach­ter“ vom Kreis­aus­län­der­amt (Stun­den­satz und Gesamt­ho­no­rar je Gutachten)?
12. Wie hoch sind die Aus­ga­ben, die dem HSK seit Janu­ar 2010 bis heu­te für soge­nann­te Abschie­be­gut­ach­ten ent­stan­den sind?

Sobald die Ant­wort des Hoch­sauer­land­krei­ses vor­liegt wer­den wir sie veröffentlichen.

PM der Sauer­län­der Bür­ger­lis­te (SBL/FW)