“Die Klei­nen hängt man”

7. Januar 2017
von Redaktion

Hoch­sauer­land­kreis.

Gemein­sa­me Stel­lung­nah­me der Kreis­tags­mit­glie­der von SBL/FW, Lin­ke und Pira­ten zur Ankla­ge gegen eine Mit­ar­bei­te­rin des Kreisjugendamtes

Die Klei­nen hängt man und die Gro­ßen lässt man laufen?

Die­ses Sprich­wort scheint beim Lesen der Pres­se­mit­tei­lun­gen bezüg­lich der Ankla­ge gegen die Sozi­al­ar­bei­te­rin, die mit dem Fall des spä­ter gestor­be­nen Kin­des aus Win­ter­berg betraut war, wie­der ein­mal zu stimmen.

Wie die Staats­an­walt­schaft rich­tig fest­stellt, ist kei­ne gan­ze Behör­de haft­bar zu machen. Das stimmt, man kann aber die Lei­tung einer Behör­de zur Ver­ant­wor­tung ziehen.

Wenn schon kei­ne juris­ti­sche Ver­fol­gung der Füh­rungs­ebe­ne erfolgt, so hat die Behör­den­lei­tung zumin­dest poli­tisch die Ver­ant­wor­tung zu übernehmen.
Die Behör­den­lei­tung wur­de aber erst nach Bekannt­wer­den der Feh­ler ihres Jugend­am­tes tätig und ver­an­lass­te u.a. erheb­li­che orga­ni­sa­to­ri­sche Ver­än­de­run­gen in der Behör­de. Z.B. wur­den die vor­her viel zu klei­nen Ein­hei­ten zu grö­ße­ren Arbeits­grup­pen zusam­men­ge­legt, in denen nun ein fach­li­cher Aus­tausch der Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter bes­ser mög­lich ist. Zuvor hat­te unser stimm­be­rech­tig­ter Ver­tre­ter im Kreis­ju­gend­hil­fe­aus­schuss, Diet­mar Schwalm, der selbst bereits seit vie­len Jah­ren haupt­be­ruf­lich in der Jugend­hil­fe tätig ist, die per­so­nel­len und finan­zi­el­len Defi­zi­te im Jugend­amt zum wie­der­hol­ten Male anpran­gert. Lässt sich die­se – viel zu spä­te – Reak­ti­on der Behör­den­lei­tung nicht als Ein­ge­ständ­nis wer­ten, dass vor­her die Abläu­fe nicht in Ord­nung waren?

Die Dis­kus­si­on über die Fall­zah­len im All­ge­mei­nen Sozi­al­dienst hat unser Ver­tre­ter immer wie­der auf die Tages­ord­nung des Fach­aus­schus­ses set­zen las­sen. Aus sei­ner Arbeit in der ver.di-Bundesfachgruppe Sozial‑, Kin­der- und Jugend­hil­fe ist ihm bekannt, dass es wich­tig ist, ähn­lich wie im Bereich Vor­mund­schaf­ten auch für die­sen Bereich eine Fall­zahl­ober­gren­ze einzuführen.

Wir, die 5 Ver­tre­ter der Oppo­si­ti­ons­frak­tio­nen im Kreis­tag, bedau­ern, dass bei der Auf­ar­bei­tung der Ver­säum­nis­se der letz­ten Jah­re, die Feh­ler nur bei einer Per­son aus der “unte­ren” Ebe­ne fest­ge­macht wer­den. Sol­che tra­gi­schen Ereig­nis­se wie der Tod eines Klein­kin­des müs­sen Anlass sein, auch die Ver­säum­nis­se auf­zu­zei­gen, die die Füh­rungs­kräf­te zu ver­ant­wor­ten haben.

Das Jugend­amt des Hoch­sauer­land­krei­ses war in gewerk­schaft­li­chen Fach­krei­sen schon vor 2014 dafür bekannt dafür, dass es bei glei­cher Ein­woh­ner­zahl viel weni­ger Per­so­nal und Finan­zen ein­ge­setzt hat als ande­re kom­mu­na­le Jugend­äm­ter in der Region.

Auch den Mit­glie­dern des Jugend­hil­fe­aus­schus­ses ist daher der Vor­wurf zu machen, für sie bekann­te oder erkenn­ba­re Miss­stän­de dau­er­haft igno­riert zu haben, anstatt beim Land­rat auf Abhil­fe zu drän­gen, wie es ihre Auf­ga­be gewe­sen wäre.

Inter­es­sant wäre auch zu erfah­ren, war­um durch den Inhalt der Aus­sa­gen der jun­gen Sozi­al­ar­bei­te­rin in der Gerichts­ver­hand­lung Anfang 2016 beim Amts­ge­richt Mede­bach der Ein­druck ent­ste­hen kann, dass sie weit­ge­hend Schuld auf sich nahm und sich so schüt­zend vor ihre Vor­ge­setz­ten und den Land­rat gestellt hat?

Es ist bekannt, dass gera­de in Beru­fen, die mit Men­schen arbei­ten, jun­ge Mit­ar­bei­te­rIn­nen gar nicht mehr mer­ken, unter wel­chen extre­men Arbeits­be­din­gun­gen sie arbei­ten und daher bei Befra­gun­gen kei­ne Rede von Über­las­tung ist.

Da die meis­ten von ihnen ihren Arbeits­platz gern behal­ten wol­len, geste­hen sie sich dau­er­haf­ten Stress durch feh­len­des Per­so­nal, feh­len­de Finan­zen für geeig­ne­te Hilfs­an­ge­bo­te und man­geln­de Unter­stüt­zung oft nicht ein.

Sozi­al­päd­ago­gi­sche Kräf­te haben in frü­he­ren Jah­ren viel eigen­stän­di­ger arbei­ten kön­nen. Heu­te wer­den ihnen wegen der Bud­ge­tie­rung von Amts­lei­tun­gen strin­gent die ein­zel­nen Arbeits­schrit­te vor­ge­ge­ben. Wenn nur für ein Kind aus einer Fami­lie Hil­fen bewil­ligt wer­den, dann bleibt oft kei­ne Zeit bzw. wird auch nicht gewünscht, dass sich der/​die ope­ra­tiv Beauf­trag­te auch noch um das wei­te­re fami­liä­re Umfeld kümmert.
Abschlie­ßend möch­ten wir aber dar­auf hin­wei­sen, dass wir aus­drück­lich die per­so­nel­len, orga­ni­sa­to­ri­schen und finan­zi­el­len Ent­schei­dun­gen der letz­ten Mona­te auf­grund der erfolg­ten Vor­ga­ben des Lan­des­ju­gend­am­tes begrü­ßen. Sie wer­den die Qua­li­tät der Arbeit des Kreis­ju­gend­am­tes lang­fris­tig verbessern.

PM der Kreis­tags­frak­tio­nen DIE LIN­KE, Sau­er­län­der Bür­ger­lis­te (SBL/FW) und dem Kreis­tags­mit­lied der PIRATENPARTEI