Tage­buch aus den Zei­ten des 2. Welt­kriegs – Auf­zeich­nun­gen des Nie­der­ei­mer Pfar­rers Linus Köt­ter wiederentdeckt

10. Mai 2021
von Redaktion

 

NIE­DER­EI­MER  Vor eini­gen Tagen ent­deck­te ein Fami­li­en­mit­glied im Nach­lass ihres Man­nes eine alte Klad­de. Als sie die­se auf­schlug, wuss­te sie sofort was sie in den Hän­den hielt. Es war das alte Tage­buch von Pater Linus Köt­ter, sie hat­te es vor eini­gen Jah­ren von ihrer Oma zum Lesen erhal­ten. Doch es geriet nach und nach in Ver­ges­sen­heit. Die­ser Pater Köt­ter leb­te und arbei­te­te im Krieg gut zwei Jah­re in Nie­der­ei­mer. Zu die­ser Zeit wohn­te er in einem Pri­vat­quar­tier an der Ober­stra­ße (ht. Nie­der­ei­mer­stra­ße), einer weit­läu­fi­gen Ver­wand­ten der Fin­de­rin. Die­se, von Pater Köt­ter gemach­ten Auf­zeich­nun­gen, ent­hal­ten wert­vol­le Infor­ma­tio­nen aus dem Dorf­le­ben Nie­der­ei­mers in den schwe­ren Kriegs­jah­ren zwi­schen 1943 und 1945.

 

Tage­buch des Paters Linus Köt­ter mit sei­nem Foto aus der Klos­ter­ver­wal­tung in den 1940er Jah­ren (Foto: AK Niedereimer)

Linus Köt­ter wur­de 1914 in Ems­det­ten gebo­ren und wuchs dort auch auf. Nach sei­nem phi­lo­so­phisch-theo­lo­gi­sches Stu­di­um leg­te er 1936 sein Gelüb­de bei den Herz-Jesu-Mis­sio­na­ren in Müns­ter-Hil­trup ab. Die Pries­ter­wei­he erteil­te ihm im Jah­re 1941 der berühm­te Beken­ner­bi­schof und Geg­ner der Natio­nal­so­zia­lis­ten Cle­mens August Graf von Galen in Müns­ter. Ende 1943 kam er, für den erkrank­ten Pater Hop­pe, nach Nie­der­ei­mer als Pfarrverweser.

Klei­ne Kreu­ze für die Gefallenen

Selbst noch rela­tiv jung, lag ihm die Jugend des Ortes beson­ders am Her­zen und so knüpf­te er schnell Kon­takt. Nach­dem auch aus Nie­der­ei­mer mehr und mehr Män­ner und Söh­ne des Dor­fes im Welt­krieg ihr Leben las­sen muss­ten und wenn über­haupt in frem­der Erde bestat­tet wur­den, wur­den auf sei­ne Anre­gung hin in der Kir­che klei­ne Kreuz­chen für jeden Gefal­len aufgehängt.

Dro­hen­de Hin­rich­tung in den letz­ten Kriegstagen

Aus­zug aus dem Tage­buch des Paters Linus Kötter

Ein fol­gen­schwe­rer Gang für ihn ereig­ne­te sich am 11. April 1945. Er muss­te auf Drän­gen der ame­ri­ka­ni­schen Besat­zer unfrei­wil­lig als Par­la­men­tär (bevoll­mäch­tig­ter Unter­händ­ler zwi­schen feind­li­chen Hee­ren) in das noch unbe­setz­te Arns­berg. Hier soll­te er für die kampf­lo­se Über­ga­be der Stadt Arns­berg sor­gen. Doch in Arns­berg wur­de er von dem nazi­treu­en Stadt­kom­man­den fest­ge­setzt und soll­te in den letz­ten Kriegs­ta­gen wegen Lan­des­ver­rat hin­ge­rich­tet wer­den. Die Todes­stra­fe wur­de jedoch nicht aus­ge­führt, aller­dings wur­de er in das Gefäng­nis der Jäger­ka­ser­ne ein­ge­sperrt. Nach drei Tagen und der Beset­zung Arns­berg aus ande­rer Rich­tung, konn­te Pater Köt­ter gesund das Gefäng­nis in Arns­berg ver­las­sen und nach Nie­der­ei­mer zurückkehren.

Vie­len noch im Gedächtnis

Pater Linus Köt­ter muss­te danach aus Erschöp­fung das Kran­ken­haus auf­su­chen und kehr­te nach dem Kran­ken­haus­auf­ent­halt nicht wie­der als Pfarr­ver­we­ser nach Nie­der­ei­mer zurück. Dadurch hat er ver­mut­lich, bei sei­ner über­ra­schen­den Abrei­se im Mai 1945, das Tage­buch ver­ges­sen. Vie­len der älte­ren Mit­bür­ger Nie­der­ei­mers und Arns­bergs ist der Name Linus Köt­ter heu­te noch prä­sent und im Gedächt­nis. Nach sei­ner Gene­sung war er spä­ter noch an ver­schie­de­nen Orten als Geist­li­cher tätig. 1981 starb er nach schwe­ren Lei­den, im Alter von nur 66 Jah­ren, in Hiltrup.

Der Arbeits­kreis für Dorf­ge­schich­te und ‑ent­wick­lung Nie­der­ei­mer e.V. über­legt, ob sie das Tage­buch des Par­la­men­tärs und Ret­ters von Arns­berg, zu einem spä­te­ren Zeit­punkt mal ver­öf­fent­licht. Viel­leicht als eine wei­te­re Aus­ga­be des Hei­mat­blat­tes „Der Nini­vit“. Der­zeit ver­treibt (wie bereits berich­tet) der AKD Nie­der­ei­mer e.V. das aktu­el­le Heft mit dem Titel „75 Jah­re danach – geret­te­te Geschichte(n) zu NS-Zeit, Krieg und Neu­be­ginn“, mit zahl­rei­chen Zeit­zeu­gen­be­rich­ten und unter ande­rem der Kir­chen­chro­nik erstellt von Pater Linus Köt­ter. Nähe­re Anga­ben hier­zu fin­den sie im Schau­kas­ten des AKD (Ste­pha­nus­weg 11, Nie­der­ei­mer) oder unter www​.nie​der​ei​mer​.de/​a​k​d​2​020.

 

(Text: Det­lef Becker, Arbeits­kreis für Dorf­ge­schich­te und ‑ent­wick­lung Nie­der­ei­mer e.V.)